
Medienethiker Filipovic: "Grausamkeiten brauchen keine Bilder"
"Die Dokumentation von Grausamkeiten braucht keine Bilder." - Das hat der Wiener Medien- und Sozialethiker Alexander Filipovic im Kathpress-Interview am Freitag betont. Das öffentliche Interesse an Berichterstattung müsse dem Persönlichkeitsschutz von Terror-Opfern nicht entgegenstehen, zeigte er sich überzeugt.
Aktuell wandle die mediale Berichterstattung über Terror und Krieg auf dem schmalen Grat zwischen Information und Inszenierung. Bilder von Konflikten, Terror und Opfern müssten aktuell besonders kritisch betrachtet werden, so der Theologe: "Ein Bild kann nie der Würde von gefolterten und getöteten Menschen gerecht werden." Grausamkeiten und Terror benötigten eine "nüchterne Sprache", Bilder von Terror- oder Kriegs-Opfers würden die Gezeigten jedoch bloßstellen, meinte Filipovic.
"Bilder von den grausamsten inhumansten Dinge hinterlassen etwas in uns", dessen könne sich niemand entziehen, konstatierte Filipovic. Zudem würden Medien damit lediglich den Wunsch von Terroristen nach Aufmerksamkeit und dem Schockieren der Menschen erfüllen.
Für Medien sei Krieg immer eine Herausforderung, da sich Medienschaffende vor der Vereinnahmung durch eine Kriegspartei verwahren und den Nutzen von Informationen sowie Bildern abwägen müssten. "Nur wenn ich mich ständig hinterfragen, kann ich mich vor einer Instrumentalisierung verwahren", so der Sozialethiker in Richtung Medienschaffende.
Macht der Bilder Filipovic: "Ein Foto und noch mehr ein bewegtes Bild bleiben im Kopf, anders ein Text, den sich Leser erst erarbeiten müssen." Bilder hätten "eine unglaubliche Macht" und würden einen über soziales Medien "ständig anspringen". Sowohl Medienschaffende als auch Medien-Nutzende könnten sich der aktuellen Flut an Bildern und Videos kaum entziehen.
Filipovic schlug deshalb in puncto Medienkonsum eine neue Art der Zurückhaltung und Selbstregulierung vor. "Damit meine ich nicht das Verschließen der Augen vor Terror und Grausamkeiten. Aber Bilder machen etwas mit uns, man vergisst manche Dinge nicht."
Wenig bis gar nicht würden jedenfalls sogenannte "Triggerwarnungen" - eine Warnung vor verstörenden Inhalten - helfen, so der Medienethiker. Diese würden benutzt, damit man die grausamen Bilder zeigen könne. In den allermeisten Menschen wecke eine Warnung vor bestimmten Inhalten aber eher eine Neugierde und Schaulust. Filipovic bezeichnete Triggerwarnung als eine Art "Alibi", die die Entscheidung des Medienschaffenden einen verstörenden Inhalt zu zeigen, verschleiere.
Einen Unterschied zog Filipovic zwischen Qualitätsmedien und Boulevardmedien, letztere müssten ein Blatt verkaufen und würden folglich absichtlich auf verstörende Bilder zurückgreifen, währenddessen "Medien mit journalistischem Anspruch abwägen, was man zeigt oder nicht".
Ähnliches gelte für die Sprache in den Medien, die weder Militär-Jargon verwenden, noch Grausamkeiten oder Tatsachen verschweigen sollte. Die Welt sei aktuell "sehr grausam", Medienschaffende hätten daher auch die Aufgabe, diese, "in ihrer Grausamkeit zu beschreiben", so der Professor für Christliche Sozialethik an der Katholisch-Theologischen Fakultät Wien.
Kriegsführung in sozialen Netzwerken
Kriegsführung passiere mittlerweile auch in sozialen Netzwerken, merkte der Theologe an: "Vielleicht müssen wir uns auch an diese neue Form der Kriegsinszenierung gewöhnen." Noch wichtiger werde daher die Eigenverantwortung von Mediennutzern, die gefordert seien, sich zu informieren, um "zwischen richtig und falsch" unterscheiden zu können.
Dazu gehöre auch die kritische Beobachtung von Informationen, die via sozialer Medien verbreitet werden. "Bei Fake News können wir nicht viel machen, außer sie zu melden und zu kennzeichnen."
Unterstützung bei der Einordnung von online verbreiteten Bilder und Videos zu Kriegsgeschehen benötigten hingegen Kinder und Jugendliche, betonte Filipovic. "Man kann sie zwar nicht an der Nutzung von sozialen Medien hindern, jedoch muss man mit ihnen sprechen." Dazu gehöre auch, Kinder und Jugendliche anzuhalten, nicht auf Videos oder Bilder zu klicken, um sie ansehen zu können oder diese zu verbreiten.
Quelle: kathpress