60 Jahre KOO: Kirchen bei Klimakrise vielfach gefordert
Die Kirchen sind angesichts der Klimakrise und der notwendigen Transformation der globalen Weltordnung hin zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit auf vielfache Weise gefordert. Das war Mittwochabend der Tenor der Festveranstaltung zum 60-Jahr-Jubiläum der Fachstelle für Entwicklungszusammenarbeit der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO) in Wien. KOO-Direktorin Anja Appel konnte u.a. die Bischöfe Werner Freistetter und Hermann Glettler sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Politik und NGOs, der Orden und weiterer kirchlicher Organisationen begrüßen.
Die Klimaveränderung, der dramatische Verlust der Arten und die Überschreitung der planetarischen Grenzen würden bereits das Überleben der Menschen in Würde in Gefahr bringen, warnte Bischof Freistetter in seinem Grußwort. Zugleich würde die weltweite Ungerechtigkeit in vielen Bereichen zunehmen und die Gestaltungsräume für die Zivilgesellschaft würde oft dramatisch abnehmen.
Freistetter zitierte aus dem Schreiben "Evangelii gaudium" von Papst Franziskus, dessen Erscheinen sich heuer zum 10. Mal jährt: "Ein authentischer Glaube - der niemals bequem und individualistisch ist - schließt immer den tiefen Wunsch ein, die Welt zu verändern, Werte zu übermitteln, nach unserer Erdenwanderung etwas Besseres zu hinterlassen. Wir lieben diesen herrlichen Planeten, auf den Gott uns gesetzt hat, und wir lieben die Menschheit, die ihn bewohnt, mit all ihren Dramen und ihren Mühen, mit ihrem Streben und ihren Hoffnungen, mit ihren Werten und ihren Schwächen. Die Erde ist unser gemeinsames Haus, und wir sind alle Brüder und Schwestern."
Diese Verortung, wie sie Papst Franziskus formuliert, übersetze die KOO inhaltlich und strukturell im Einsatz für globale Gerechtigkeit, so Freistetter. Die KOO sei Brückenbauerin zwischen der Kirche und anderen entwicklungspolitischen Akteuren in Österreich, sie sei Mitgestalterin politischer Prozesse und Netzwerkerin im Blick auf die internationalen politischen Institutionen und Allianzen.
Freistetter ist als Referatsbischof innerhalb der Österreichischen Bischofskonferenz für die "Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission" zuständig.
Plädoyer für neue ökologische Reformation
Der Münchner Sozialethiker Prof. Markus Vogt plädierte in seinem Vortrag eindringlich dafür, dass die Rede von Gott angesichts der dramatischen Klimakrise im ökologischen Kontext verortet werden müsse. Die Aufgabe der Kirchen sei es seiner Meinung nach, die Grundwerte, auf denen die Gesellschaft basiert, neu in Einklang zu bringen mit den sichtbaren Grenzen der Natur. Es brauche eine neue ökologische Reformation, "und zwar eine solche, die die Kirchen nicht spaltet, sondern zusammenbringt".
Vogt plädierte auch für eine vierte Generation der Menschenrechte und sprach von "ökologischen Existenzrechten". (Die drei Stufen davor: individuelle Freiheitsrechte, soziale Rechte und politische Mitwirkungsrechte.)
Martha Ines Romero, Generalsekretärin von Pax Christi International, berichtete in ihrem Vortrag von den vielfältigen Pax Christi-Bemühungen in Mittel- und Südamerika, um die lokalen Gemeinschaften vor Ort zu stärken; sei es im Kampf gegen große Minengesellschaften, Agrarmultis oder militärische Gruppierungen. In zahlreichen Schulungen würden Möglichkeiten des gewaltfreien Widerstands ausgelotet und gelehrt, Frauen in ihren Rechten bestärkt oder Basisgruppen gestärkt, die sich für die Achtung der Menschenrechte in ihrer Region einsetzen. "Wir glauben an die Kraft der lokalen Gemeinschaften, genauso braucht es aber auch globale Solidarität", bekräftigte Romero.
Warnung vor Fatalismus in der Gesellschaft
In der anschließenden Podiumsdiskussion warnte die Bundesvorsitzende der "Katholischen Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich", Anna Wall-Strasser, vor einem zunehmenden Fatalismus in der Gesellschaft, frei nach dem Motto, dass man ohnehin nichts verändern könne. Das spiele den Populisten und Klimawandel-Leugnern in die Karten bzw. werde von diesen auch verstärkt. Damit dürften sich auch die Kirchen nicht abfinden, so Wall-Strasser. Sie mahnte zugleich mehr Unterstützung der Kirchenoberen mit den jungen Klimaschützern im Land ein.
Der Wiener Politologe Ulrich Brand machte auf die enorme ökologische Ungleichheit auf der Welt aufmerksam. Die Reichen würden mit ihrem Lebensstil die Welt dramatisch schädigen, nicht die Armen. Die nötige Umkehr werde im wohlhabenden Teil der Welt nicht mit der Umstellung auf E-Autos zu schaffen sein, brachte es Brand pointiert auf den Punkt. "Es muss vielmehr ins Eingemachte gehen." Eindringlich warnte Brand auch vor einem neuen "grünen Kolonialismus". Er illustrierte dies mit den E-Autos. Für die in den Batterien enthaltenen seltenen Erden würden wieder die Entwicklungsländer ausgebeutet. Es gelte vielmehr, ein Wohlstandsmodell zu finden, das nicht mehr länger den Planeten ausbeutet. Andrea Sölkner von der evangelischen Diakonie wies auf einige dramatische Zahlen hin: Laut UNO würden bis 2050 150 Mio. Menschen vor klimatischen Änderungen fliehen. Und die WHO prognostiziere, dass zwischen 2030 und 2060 jährlich 250.000 Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben werden. Diesen Zahlen brauche man nicht mehr viel hinzuzufügen, so Sölkner, die u.a. ein massives gemeinsames Klimaschutz-Engagement der Kirchen anmahnte.
Interessenvertretung für katholische Einrichtungen
Die KOO fungiert als Interessenvertretung u.a. für die Vernetzung, Koordination und Qualitätssicherung katholischer Einrichtungen und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit in Österreich. Derzeit sind 35 Organisationen Mitglied in der Interessenvertretung. International ist die KOO in das Netzwerk CIDSE (Coopération internationale pour le développement et la solidarité) eingebunden. Hierbei handelt es sich um den internationalen Zusammenschluss katholischer Organisationen für globale Gerechtigkeit.
Die Themen, für die sich die KOO einsetzt, reichen von Klimagerechtigkeit, über Biodiversität, Entwicklungspolitik bis hin zu Weltkirchethemen. Die Fachstelle sieht sich dabei in erster Linie in einer koordinierenden Funktion. So bietet sie u.a. Information und Beratung der Bischofskonferenz wie auch einzelner Diözesen bei Themen der internationalen Zusammenarbeit an. Grundsätzliches Anliegen ist ihr die Förderung des entwicklungspolitischen Engagements der katholischen Kirche in Österreich. (Infos: www.koo.at)
Quelle: kathpress