Zulehner zu "Laudate Deum": "Unleugbare Dringlichkeit"
Acht Jahre nach der Veröffentlichung der epochalen Enzyklika "Laudato si" redet Papst Franziskus der Welt neuerlich ins Gewissen. Das hat der Pastoraltheologe Prof. Paul Zulehner auf Anfrage der Nachrichtenagentur Kathpress in einer ersten Stellungnahme zum am Mittwoch veröffentlichten Papst-Schreiben "Laudate Deum" zur Klimakrise betont. Den Papst dränge seine tiefe Besorgnis um den Erhalt des gemeinsamen Hauses: Auf den Klimawandel, in welchem er eine der größten Herausforderungen für die globale Gemeinschaft sieht, werde in fahrlässiger Weise unzulänglich reagiert. Das werde unvorhersehbare ökologische und soziale Folgen zeitigen, vor allem für die am meisten gefährdeten Menschen, warne der Papst. Zulehner attestiert dem neuen Schreiben, dass es von "unleugbarer Dringlichkeit" sei.
Wie schon in "Laudato si" setze Franziskus an den Beginn eine fundierte Diagnose der Lage des Weltklimas. Er stütze sich dabei auf die neuesten Berichte des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) aus den Jahren 2021 und 2023, denen rund 34.000 wissenschaftliche Studien zugrunde liegen. Aus diesen übernimmt er die hohe Dringlichkeit, mit der umgehend gehandelt werden müsse.
Papst kritisiert "unerleuchtete Leugner"
In scharfen Worten zeig der Papst zugleich Unverständnis gegenüber jenen, welche den von Menschen verursachten Klimawandel leugnen. Solche unerleuchtete Leugner orte er auch in der katholischen Kirche. Neben dem Leugnen störe den Papst auch ein unverantwortlicher Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, "Grünes", Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird.
Treu bleibe sich Papst Franziskus auch bei der Suche nach den Ursachen des Klimanotstandes. Es sei das "wachsende technokratische Paradigma". Ein wichtiger Baustein sei "die Idee eines unendlichen und grenzenlosen Wachstums, das die Ökonomen, Finanzexperten und Technologen so sehr begeisterte", zitierte Zulehner den Papst.
Gefährlicher "Gotteskomplex"
Die päpstlichen Überlegungen erinnern Zulehner an den deutschen Psychoanalytiker und Sozialphilosophen Horst Eberhard Richters, der den Begriff vom "Gotteskomplex" prägte. Darunter zu verstehen sei der Versuch, die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern. Tatsächlich, so der Papst, hätte die Menschheit noch nie so viel Macht über sich selbst gehabt wie jetzt. Doch der Papst fahre besorgt fort: "Nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird". Denn: "Ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst", zitierte Zulehner einen weiteren zentralen Satz des Schreibens, mit dem dieses auch schließt.
Der Papst diagnostiziere freilich nicht nur, sondern suche auch nach Auswegen, wie der Pastoraltheologe weiter erläuterte. Franziskus nehme die Einzelnen und ihre Familien in den Blick, verlange aber auch eine ökologische Umkehr der Gesellschaften und Kulturen. Er setze dabei nicht nur auf die alte Diplomatie, sondern auch einen neu konfigurierte "Multilateralismus von unten". Die Zivilgesellschaft müsse einbezogen werden, auch um die politisch Verantwortlichen zu bewegen und zu kontrollieren, brachte Zulehner eine zentrale Forderung des Papstes auf den Punkt. Für Franziskus braucht es eine Weltorganisation "mit echter Autorität ausgestattet sein, um die Erfüllung bestimmter unverzichtbarer Ziele zu gewährleisten".
"Erstaunlich konkrete" Forderungen
Wie Zulehner weiter schreibt, werde der Papst mit Blick auf die kommende Klimakonferenz Ende des Jahres in Dubai (COP28) erstaunlich konkret. - "Der Leser kommt sich vor, wie in die kommenden Verhandlungen versetzt." - Der Papst erwartet, dass die Konferenz zu einer "deutlichen Beschleunigung der Energiewende mit wirksamen Verpflichtungen" führe. Man habe dabei aber den Eindruck, dass angesichts der Dringlichkeit der Ökologie die Ökonomie wie auch die Sozialpolitik zurückstehen müssten, resümiert Zulehner diesen Abschnitt des Schreibens: "Umweltpolitiker werden dem Papst euphorisch zustimmen, manche Wirtschafts- und Sozialpolitiker hingegen werden seine Vorschläge kopfschüttelnd als undurchführbar ablehnen."
Während der Großteil der Überlegungen des Papstes an alle Menschen guten Willens gerichtet sind, richte sich ein abschließender Teil des Schreibens an die katholischen Adressaten. Diese wolle der Papst geistlich motivieren, sich ökologisch einzusetzen. Er wolle aber nicht nur ein ökologisches Umdenken anstoßen, "es geht ihm viel tiefer um den Lobpreis Gottes, der unser Handeln beflügeln kann". Daher lautet auch der Name des Apostolischen Schreibens "Laudate Deum".
Schließlich zeigte sich Zulehner in seiner Analyse des Schreibens ein wenig skeptisch, "ob diese gut begründeten und eindringlich starken Worte des Papstes entsprechendes Handeln bewirken werden". Denn: "Der Weg vom Einsehen zum Handeln ist vielfach weit. Auch und gerade in ökologischen Belangen." Dessen scheine sich der Papst bewusst zu sein, was ihn zu einem deutlichen Appell veranlasste, den Zulehner abschließend zitierte: "Wir müssen diese Logik überwinden, dass wir einerseits ein Problembewusstsein an den Tag legen und gleichzeitig nicht den Mut haben, wesentliche Veränderungen herbeizuführen."
Quelle: kathpress