Zulehner: Öffnung für Homosexuelle keine Frage von Barmherzigkeit
Homosexualität ist kein "göttlicher Pfusch, schon gar nicht Sünde": Homosexuelle Paare benötigten folglich keine Barmherzigkeit, sondern die Anerkennung ihrer "sexuellen Begabung". Mit diesen Worten hat sich der Wiener Pastoraltheologe Michael Zulehner am Dienstag in seinem Blog zulehner.wordpress.com zur Papst-Antwort auf Anfragen konservativer Kardinäle ("Dubia") geäußert. Eine "Barmherzigkeitspastoral" sei dem Papst wichtiger als eine "Buchstabengerechtigkeit", so Zulehner zu Franzisukus, der bezüglich der Segnung homosexueller Paare Feingefühl und Klugheit in der Seelsorge einforderte. Für den Leiter der Regenbogenpastoral Österreich, Franz Harant, zeige sich Papst Franziskus damit als "pastoral denkender und handelnder Seelsorger".
Für Franziskus zähle weniger das Gesetz, sondern mehr der Einzelfall, so das Fazit von Zulehner: "Er ist für das Integrieren und nicht das Ausschließen." Gleichzeitig bewertete es der Wiener Theologe als "abschätzig", gegenüber gleichgeschlechtlich Liebenden für Barmherzigkeit zu plädieren. Ihre Ausrichtung benötige keine Barmherzigkeit, sondern ähnlich wie bei den Themen Todesstrafe oder gerechter Krieg eine revidierte Kirchenlehre.
Zur Aussage des Papstes, dass es Situationen gebe, "die aus objektiver Sicht moralisch nicht annehmbar sind", verwies der Theologe darauf, dass es in "konkreten homosexuellen Aktivitäten und Beziehungen" durchaus Sünde geben könne - wie in heterosexuellen ebenso. Die Kernfrage von allen "erotisch-sexuellen Liebesbeziehungen" sei gleich und drehe sich um das "Ineinander der symbolisch/personalen und der körperlichen Seite".
Liebe anstelle von Reproduktion
Zulehner sprach sich in der Debatte auch für Einschätzungen von Bibelwissenschaftlern aus: "Könnte es denn nicht sein, dass eine an der Reproduktion des Lebens hochinteressierte Zeit alle nichtreproduktiven Formen sexuellen Agierens als verwerflich, sündig ansah? Onanie ebenso wie Homosexualität?" Das hätte in biblischer Zeit nicht Homosexualität zur Sünde gemacht, sondern die "Verweigerung der Reproduktion des Lebens".
Heute gebe es jedoch Überbevölkerung. Damit tritt laut Zulehner die generative Seite der Sexualität in den Hintergrund und die Liebe in den Vordergrund. Das ist für den emeritierten Wiener Professor für Pastoraltheologie "wohl auch der Grund, dass auch gleichgeschlechtliche Paare nicht nur einen Segen haben, sondern auch eine 'Ehe' schließen möchten". Zulehner sieht hier einen tiefgreifenden Wandel des Ehebegriffs, "weil es nunmehr nur noch um die Liebe geht, nicht mehr um Kinder".
Gelebte Realität versus Rechtsunsicherheit
"Ein gleichgeschlechtliches Paar kann weiterhin an eine seelsorgende Person geraten, die eine Segnung aus doktrinären Gründen verweigert", so der Linzer Priester, Franz Harant, am Dienstag gegenüber "Kathpress". Denn auch wenn nun "nichts mehr 'unerlaubt im Verborgenen' gemacht werden" müsse, bleibe eine "Rechtsunsicherheit", wies der langjährige Vorsitzende der österreichischen Regenbogenpastoral hin.
Die Worte des Papstes zeigten, dass der Papst wohl um Lehre und Ideale, "die die Kirche nicht aufgibt und nicht so leicht ändert", wisse, gleichzeitig aber auch, dass Menschen nicht immer allen Idealen entsprechen können. Diese Spannung werde auch in dem aktuell publizierten Papst-Antwort nicht aufgelöst, meinte Harant. Letztlich gelte es, alle LGBTIQ*-Personen seelsorglich zu begleiten, durch persönliche Gespräche oder liturgische Handlungen.
Grundsätzlich sei ein Segnungswunsch von gleichgeschlechtlichen Paaren Ausdruck von Glaube und gelebter Spiritualität, im Speziellen von Beziehungsspiritualität, erläuterte Harant. Mit dem Wunsch nach einem Leben in verantwortlicher Liebe und verlässlicher Treue würden sich gleichgeschlechtlich orientierte Menschen zudem nicht von heterosexuellen Menschen unterscheiden.
Quelle: kathpress