Caritas-Expertin: Wahre Leistungsträger werden oft übersehen
Die Kritik von Bundeskanzler Karl Nehammer, Frauen würden zu selten Vollzeit arbeiten, stößt bei der Caritas weiterhin auf Widerspruch. Oft müssten sich Frauen "abstrudeln, um alles unter einen Hut zu bringen", erklärte die Geschäftsführerin des "Magdas"-Hotels der Wiener Caritas, Gabriela Sonnleitner, im Doppelinterview mit Arbeitsminister Martin Kocher der Tageszeitung "Der Standard" (Montag). Dass Nehammer von "wir Leistungsträger" gesprochen habe, "tut mir im Herzen weh, wenn ich sehe, wie viele Leute bei uns hart arbeiten, in der Küche, im Housekeeping. Ich glaube, das sind die Leistungsträger", sagte Sonnleitner. Mehr Wertschätzung für diese Personengruppe halte sie für angebracht.
Die Herausforderungen von Frauen, die Vollzeit arbeiten, seien manchmal enorm, sagte die "Magdas"-Chefin. "Extremste Anstrengungen" seien oft nötig, "damit sich das alles mit der Betreuung ausgeht." Das erlebe sei bei Angestellten im eigenen Hotel. Wenn der Bundeskanzler behaupte, Menschen wollten nicht mehr arbeiten, so werte das die Lebensrealität vieler ab und sei "zynisch".
Arbeitsminister Kocher forderte mehr Differenzierung. Wer mehr arbeiten will, es jedoch derzeit nicht kann, solle dazu etwa durch den Ausbau der Kinderbetreuung die Möglichkeit bekommen. Diskutieren müsse man dennoch darüber, "dass es nicht nur immer mehr Frauen, sondern auch immer mehr Männer gibt, die Teilzeit arbeiten, weil sie sich das leisten können oder weil das einfach eine neue gesellschaftliche Entwicklung ist", so der Minister. Schließlich sänken dadurch die Beiträge zum Sozialsystem, während sich der Fachkräftemangel weiter verstärke.
Vorschlag "Familienarbeitszeit"
Sonnleitner regte zur Anhebung der Frauen-Erwerbstätigkeit das Modell einer "Familienarbeitszeit" an. Diese sei oft 60 Stunden, von denen auf den Mann 40, auf die Frau 20 Stunden komme. "Warum nicht beide 30 Stunden? Ich weiß, es gibt viele Gründe, die dagegen sprechen, Männer verdienen mehr. Aber in diese Richtung sollte es gehen", so die Geschäftsführerin.
Sonnleitner warb zudem für einen verstärkten Blick auf Geflüchtete. Das von ihr geleitete Hotel, das sich auf die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen konzentriere, habe keine Probleme, Personal zu finden, "weil wir auf Menschen hinschauen, die die anderen vergessen oder gar nicht anschauen". Sinnvoll sei es, bei Asylanträgen "schnell zu entscheiden, wer bleiben darf", und dann rasch viel Energie und Geld in die Menschen zu investieren. "Meine Erkenntnis ist schon, dass die Leute arbeiten wollen, dass sie für sich selber sorgen möchten, dass sie niemandem auf der Tasche liegen wollen. Das müssen wir nur ermöglichen", so die Sozialmanagerin.
Minister Kocher stimmte zu und versprach den baldigen Start eines "Intensivprogramms für die Integration in den Arbeitsmarkt" gemeinsam mit dem AMS. Sobald klar sei, dass Menschen bleiben dürfen, müsse es "Qualifizierungsmaßnahmen, Deutschkurse und Integration in den Arbeitsmarkt möglichst rasch und parallel geben". Bestehende Pilotprojekte sollten noch besser ausgerollt werden.
Dass der Staat - wie von Sonnleitner gefordert - großzügiger sein müsse bei der Asylvergabe bei aufrechter Lehre, wies der Minister zurück. Die Rot-Weiß-Rot-Karte sei deshalb reformiert worden, um Menschen schon mit einem Aufenthaltstitel nach Österreich kommen zu lassen. "Mittlerweile ist es so, dass jemand mit guter Ausbildung in einem Mangelberuf diese Karte auch erhält." Verhindert werden müsse jedoch, Anreize für Menschen zu schaffen, um über gefährliche Routen und mit Schleppern nach Österreich zu kommen.
Quelle: kathpress