Landau: Kirche antwortet zu oft auf Fragen, die niemand mehr stellt
Für Caritas-Präsident Michael Landau antwortet die Kirche "viel zu oft auf Fragen, die ihr niemand mehr stellt und antwortet nicht auf Fragen, die ihr gestellt werden". Diese Überzeugung hat der Chef der größten kirchlichen Hilfsorganisation in Österreich, der auch katholischer Priester ist, im Interview mit der Tageszeitung "Kurier" dargelegt (Freitag). Auf die Frage, warum viele Menschen die Kirche verlassen, antwortete Landau, "dass die Kirche in ihren Strukturen der Kritik anheimfällt, die auch Parteien oder Kammern betrifft".
Papst Franziskus hingegen mache deutlich, "dass in der Kirche nicht wie bei Gericht über 'Richtig und Falsch' geurteilt wird", sondern diese wie ein Feldlazarett sein müsse. Landau: "In diesem Lazarett werden Menschen mit den Verwundungen, die das Leben mit sich bringt, nicht im Stich gelassen". Das sei etwa, dass die Menschen heute nach wie vor benötigten. "Deshalb bin ich zuversichtlich", so der Caritas-Präsident mit Hinblick auf die Zukunft der Kirche.
Die Stärken der karitativen Arbeit der Kirche liegen im täglichen Tun, so Landau. Er ist überzeugt, die "Menschen wissen das zu differenzieren, wenn ich an unsere 3.000 Pfarrgemeinden denke". Diese gäben Antworten "für Einsame, für Alleinerzieherinnen, dort gibt es Lernangebote für Kinder, dort wächst das Engagement der Freiwilligen in einem tendenziell schrumpfenden Umfeld", betonte der Caritas-Präsident die Bedeutung intakter pfarrlicher Strukturen.
Nehammer-Kritik: Caritas setzt auf Daten
Angesprochen auf seine deutliche Kritik an ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer nach dem öffentlich Werden eines Videos, in dem der Politiker inzwischen vielfach kritisierte Worte zu Teilzeitbeschäftigung von Frauen und Kinderarmut findet, verwies Landau darauf, dass sich die Caritas stets auf offizielle Daten beziehe. Diese besagten, dass 200.000 Menschen in Österreich massiv von Armut betroffen sind - um 40.000 mehr als im Jahr zuvor.
Hinter den Zahlen stünden aber immer Menschen und konkrete Wirklichkeiten, gab der Caritas-Präsident zu bedenken. Ziel der Politik und Gesellschaft müsse es sein, dass die Menschen Angebote wie die der Caritas nicht mehr benötigten, weil sie von der Arbeit, die sie haben, leben können. Sozialmärkte, von denen die Caritas alleine in Wien 15 betreibt, seien deswegen "auch ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft, die Erinnerung, dass wir uns mit der Armut nicht abfinden dürfen".
Vonseiten der Politik erlebe Landau jedenfalls keine Gesprächsverweigerung. "Was wir aber alle spüren, ist eine hohe Polarisierung und eine Gereiztheit in der Politik und in der Gesellschaft", gab der Caritas-Präsident zu bedenken. "Ein Stück weit sind uns die Zwischentöne abhandengekommen." Es führe aber kein Weg vorbei am Suchen und Finden von gemeinsamen Lösungen, appellierte Landau, das setze den Willen und die Bereitschaft voraus, einander zuzuhören.
Quelle: kathpress