Theologen: Relevanzverlust mit mehr "öffentlicher Theologie" begegnen
Wie dem gesellschaftlichen Relevanzverlust von Kirche und Theologie begegnen? Dieser Frage war eine Podiumsdiskussion am Montagabend in Graz gewidmet. Die Diskutanten - darunter der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prof. Pablo Argárate, der Grazer Religionswissenschaftler Prof. Franz Winter, die Grazer Dogmatik-Professorin Sibylle Trawöger und der gastgebende Franziskaner P. Willibald Hopfgartner vom Grazer Franziskanerkloster zeigten sich dabei einig, dass es mehr Mut zu "öffentlicher Theologie" und ein Mehr an Wissenschaftskommunikation brauche. Neben der interdisziplinären Vernetzung innerhalb der Universität brauche es auch ein verstärktes Sich-Aussetzen in der Öffentlichkeit, etwa in Form von Dialog-Veranstaltungen und neuen Veranstaltungsformen.
Die Diskussion fand im Rahmen der Präsentation des neuesten Bandes der Reihe "Theologie im kulturellen Dialog" statt. Die Reihe im Tyrolia-Verlag besteht seit inzwischen 25 Jahren. Der Jubiläumsband (Nr. 42) steht unter dem Titel "Zwischen Gott und Welt: das Heilige. Religiöse Erfahrung und theologische Reflexion" und versammelt die Beiträge eines Symposions im vergangenen Herbst an der Universität Graz zum selben Thema.
Dekan Argárate verwies bei der Diskussion darauf, dass die deutschsprachige universitäre Theologie noch immer in einer besonderen, privilegierten Situation sei, die im Blick auf die institutionelle Absicherung und die universitäre Einbettung einzigartig sei. Daraus erwachse jedoch auch die Verpflichtung, sich verstärkt interdisziplinär zu engagieren und fachübergreifende Netzwerke zu knüpfen, um die Reputation der Theologie zu stärken.
Religionswissenschaftler Winter unterstrich, dass der Relevanzverlust nicht nur die Theologie betreffe, sondern die gelebte Religion insgesamt. "Wir müssen begreifen, dass es für immer mehr Menschen eine reale Option ist, ein gänzlich religionsfreies Leben zu führen und das nicht als defizitär zu erleben", so Winter. Der "Relevanzverlust" habe insofern auch eine existenzielle Dimension.
Erst Erfahrung, dann Reflexion
Auch der Franziskaner-Pater und Literatur-Experte Willibald Hopfgartner unterstrich den existenziellen Zugang: Wolle man die Relevanz der Theologie stärken, brauche es neben der öffentlichen Wirksamkeit auch ein Mehr an persönlicher, existenzieller Begleitung. Theologie sei eine wichtige, gleichwohl der persönlichen Gotteserfahrung nachgereihte Forme der Reflexion. Theologen seien daher ebenso wie Ordensleute und Seelsorgende insgesamt gerufen, dazu beizutragen, dass Menschen überhaupt mit Gott in Berührung kommen, so Hopfgartner.
Die Dogmatik-Professorin Sibylle Trawöger schließlich verwies auf das Problem der hohen Ausdifferenzierung in der Theologie, die es unmöglich mache, von "der" Theologie zu sprechen. Diese fachliche Komplexität sei ein hohes Gut, das wiederum jede einzelne Fachdisziplin vor die Aufgabe stelle, ihre Forschung daraufhin abzuklopfen, worin dessen gesellschaftliche Relevanz liege. Sie warnte jedoch zugleich davor, die Relevanzfrage zum zentralen Maßstab wissenschaftlicher Forschung zu machen. Wissenschaft brauche geschützte Räume des Diskurses und des Nachdenkens und entziehe sich damit auch teils der Frage unmittelbarer gesellschaftlicher Verwertbarkeit.
Quelle: Kathpress