Suizidprävention bei Einsamkeit: Über eigene Not reden entlastet
Um bestmögliche Unterstützung für Menschen, die von belastender Einsamkeit oder anderen schwierigen Lebensphasen betroffen sind, bemüht sich die Telefonseelsorge. Einsamkeit sei zwar ein Tabuthema, könne jedoch jeden treffen, erklärten Expertinnen und Experten am Mittwoch in Linz, Salzburg und Klagenfurt im Vorfeld des Weltsuizidpräventionstages am 10. September. Offen für ein Gespräch zu sein, sei ein erster wichtiger Schritt für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen, so der Tenor der Beiträge.
Einblick in den Leidensdruck vieler von Einsamkeit Betroffener gab Silvia Breitwieser, Leiterin der Telefonseelsorge OÖ - Notruf 142, bei einer Pressekonferenz in Linz. Einsame Menschen kämen sich oft verlassen und ausgeschlossen vor, fühlten sich teils unverstanden und unsichtbar oder schämten sich dafür, keine Freunde zu haben oder zu wenig liebenswert zu sein. Das könne weiteren Rückzug und psychische wie auch physische Krankheit - von Depressionen und Angststörungen bis hin zu Suizidgedanken - nach sich ziehen. Menschen mit Suizidgedanken wollten jedoch meist nicht sterben, "sondern nicht so weiterleben wie bisher", betonte Barbara Lanzerstorfer-Holzer, Psychotherapeutin bei der Telefonseelsorge OÖ.
Freilich: Um "gute und selbstgewählte Einsamkeit", welche sich durch Selbstgenügsamkeit, Kreativität und Schaffenskraft auszeichne, gehe es hier nicht, betonte Primar Christian Jagsch von der Abteilung für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie am LKH Graz II. Krankmachend sei vielmehr, wenn akut auftretende Einsamkeit nicht mehr bewältigbar und zum anhaltenden Zustand werde. Risikofaktoren seien dafür u.a. Armut, höheres Alter, massive Trauma-Erfahrungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, chronische Erkrankungen und Schmerzen, psychische Erkrankungen, Behinderung, Arbeitslosigkeit sowie Migration, so der Mediziner.
Gut mit sich selbst und anderen auskommen
Primar Jagsch und die Telefonseelsorge-Expertinnen bezeichnete das Reden darüber - auch über die eigene Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Suizidgedanken - sowie die Erhöhung der Kontaktmöglichkeiten als wichtige Therapie gegen Einsamkeit. Die soziale Isolierung gelte es zu reduzieren, soziale Fertigkeiten und die eigene Einsamkeitsfähigkeit zu trainieren und eine psychosoziale bzw. psychotherapeutische Betreuung und Behandlung in Anspruch zu nehmen. Besonders heilsam sei auch die Erfahrung, von anderen gebraucht zu werden. Ziel sei, "eine hinlängliche gute Beziehung zu sich selbst und zu anderen Menschen zu entwickeln".
Eine Ermutigung zum Gang in die Beratung speziell an Angehörigen und Bekannten von Menschen, die sich das Leben genommen haben, kam von Klemens Hanfner-Hanner, Leiter des Teams Familienberatung in der Diözese Linz und Berater bei "beziehungleben.at". Die Ausnahmesituation verunsichere viele Betroffene, mache sprachlos und führe oft zum Gefühl, alleingelassen zu sein. Statt zu bewerten oder mit gut gemeinten Ratschlägen zu vertrösten, schaffe eine Beratung den Raum dafür, über den verstorbenen Menschen zu reden und offene Fragen, Zweifel bis hin zu Schuldgefühle ausführlich anzusprechen. (www.beziehungleben.at)
Auch Kinder und Jugendliche betroffen
Über Suizidprävention am Telefon und im Chat ging es in Salzburg, wo die diözesane Telefonseelsorge gemeinsam mit der "kids-line Salzburg" auf eigene Beratungsangebote aufmerksam machte. In den Gesprächen gelinge es, einen "Vertrauensraum" aufzubauen, in dem Emotionen wie Sorgen, Ängste und Hoffnungslosigkeit Platz nehmen könnten, erklärte Telefonseelsorge-Leiter Gerhard Darmann. Suizidale Gedanken, von denen auch junge Menschen bei der kids-line am Telefon oder im Chat berichteten, würden von den Beratern immer ernst genommen. "Reden hilft - Schreiben tut der Seele gut", so der Experte.
Oft erscheine die Telefonseelsorge als "einziges Fenster zur Welt", bemerkt in einer weiteren Aussendung die Leiterin der Kärntner Telefonseelsorge, Barbara Ogris. Wichtig sei, mit Menschen in Krisen oder suizidalen Gedanken in Beziehung zu treten, neue Perspektiven zum Leben zu schaffen und Betroffenen wieder zu mehr Handlungsfähigkeit zu verhelfen. Das große Netzwerk im psychosozialen Bereich, auf welches die Telefonseelsorge verweisen könne, sei dabei oft von Vorteil. Allein in Kärnten hat das dort von der Caritas getragenen Angebot seit Jahresbeginn bereits 9.815 Gespräche und 616 Onlineberatungen - davon 114 Mailberatungen und 502 Sofort-Chats geführt, Tendenz steigend.
Österreichweit ist die Telefonseelsorge unter der Notrufnummer 142 anonym und kostenlos 24 Stunden pro Tag erreichbar, sowie von 16 bis 23 Uhr auch im Chat unter www.telefonseesorge.at.
Quelle: kathpress