Der Weltjugendtag als Glaubensfest der einfachen Sätze
Auf dem Weltjugendtag hat der Papst zu Hunderttausenden jungen Menschen über Glauben und Kirche gesprochen. In eingänglichen Worten vermittelte er die Kernbotschaften des Christentums. Kontroverses gab es nur zwischen den Zeilen. Missbrauch, Austritte, Skandale - die katholische Kirche steckt in etlichen Ländern in einer Krise. Wie kann sie da junge Menschen für den Glauben begeistern? Papst Franziskus versuchte es auf dem Weltjugendtag in Lissabon mit einfachen Botschaften und wich immer wieder deutlich von den vorbereiteten Reden ab.
"Die Kirche hat Platz für alle. Alle, alle, alle", war einer dieser Sätze, die er während des mehrtägigen Riesenereignisses mehrere Male wiederholte. Ein anderer: "Gott liebt uns, wie wir sind". "Hinfallen ist nicht schlimm, man darf bloß nicht liegenbleiben", sagte er am Samstagabend. Und am Sonntagmorgen wiederholte er beim Abschlussgottesdienst immer wieder: "Fürchtet euch nicht!"
So einfach die Worte sind, verweisen sie doch auf Kernbotschaften des christlichen Glaubens. Beim Weltjugendtag zeigte sich das wichtigste Anliegen des Papstes aus Lateinamerika: Die Frohe Botschaft so zu verkünden, dass jeder sie versteht und niemand ausgegrenzt wird. Im Vatikan agiert Franziskus entsprechend: Seit seiner Neuordnung der römischen Kurie im Juni 2022 leitet er höchstpersönlich die zuständige "Evangelisierungsbehörde". Und sein neu benannter Chef-Dogmatiker Victor Fernandez soll nicht mehr Irrlehren abstrafen, sondern ebenfalls die Verkündigung in den Blick nehmen.
Franziskus' Botschaft von der Kirche für "alle, alle, alle" weist auch auf die Weltsynode im kommenden Oktober im Vatikan hin. Erstmals in der Geschichte der katholischen Kirche werden Frauen bei einer Bischofssynode mit abstimmen. Zwar ist nur rund jede siebte Stimme weiblich, trotzdem ist der Schritt bemerkenswert. Laut dem offiziellen Arbeitspapier sollen die Synodalen auch über heiße Eisen sprechen, etwa den Umgang der Kirche mit LGBTQ und die Ehelosigkeit von Priestern.
In Lissabon benannte der Papst solche Konfliktthemen indirekt - etwa mit seiner Vision einer Kirche, die für ausnahmslos alle Menschen offenstehen muss. Zum sexuellen Missbrauch äußerte er sich nicht, obwohl Anfang des Jahres ein Untersuchungsbericht die portugiesische Öffentlichkeit schockiert hatte. Statt eines Statements empfing der Papst 13 Missbrauchsbetroffene in der Vatikan-Botschaft in Portugals Hauptstadt. Das Treffen sei von einem "Klima des intensiven Zuhörens" geprägt gewesen, hieß es im Anschluss. Inhalte wurden nicht bekannt.
Alles in allem absolvierte Franziskus in Lissabon ein extrem volles Arbeitsprogramm mit mehreren Auftritten vor Hunderttausenden von Menschen. Bei diesen Groß-Terminen wich er teils stark von den Redemanuskripten ab. "Gibt es Dinge in meinem Leben, die mich zum Weinen bringen?", fragte er zum Beispiel überraschend die Jugendlichen am Freitagabend beim Kreuzweg. Vielen kamen in diesem Moment die Tränen. So machte der Papst mit nur wenigen Worten die 14 Stationen vom Leiden und Sterben Jesu auch für religiös Ungeschulte begreifbar.
Wie immer, wenn er frei redet, sprach Franziskus Spanisch, was auch viele Portugiesen verstehen. Unterstützt wurden die Inhalte der Stationen durch die künstlerische Performance einer Tanzgruppe. Das kam bei den Jugendlichen an. "Ich fand es überwältigend", sagte die 15-jährige Luisa aus der Schweiz. Die 19-jährige Alexandra ergänzte: "Es ist wunderschön, dass man den Kreuzweg mit der heutigen Zeit verknüpfen kann."
Dass Franziskus bei seinen Reden spontan improvisiert, ist nicht außergewöhnlich. Selten jedoch hat er Ansprachen so stark abgekürzt wie auf dem Weltjugendtag. Überraschend war auch, dass er am Marienwallfahrtsort Fatima auf einen ursprünglich geplanten Friedensappell verzichtete. Stattdessen hielt er eine kurze Ansprache über Maria und wiederholte seine Vision von einer offenen Kirche. Franziskus habe in Stille und "mit Schmerz" vor der Madonnenfigur in Fatima für den Frieden gebetet, erklärte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni im Anschluss. Mögliche Spekulationen um Sehprobleme wies er zurück.
Portugal war Franziskus erste Reise nach einer größeren Operation am Darm im Juni. Die abgekürzten Reden könnten darauf hinweisen, dass ihn das vollgepackte Programm an die Grenzen seiner Belastbarkeit brachte. Andererseits wirkte er gerade bei seinen improvisierten Ansprachen vor den Jugendlichen lebendig und stellte der Menge immer wieder direkte Fragen. Die ließ sich mitreißen. "Der Papst hat uns gesagt, dass Gott uns liebt, wie wir sind, und dass in der Kirche Platz für jeden ist", resümiert die 20-jährige Lilly aus Australien. "Ich finde das super, das macht vielen Menschen Hoffnung."
Quelle: kathpress