Experte: Öffentliche Koranverbrennung in Österreich nicht möglich
Die Koranverbrennungen und -schändungen in Schweden und Dänemark in den vergangenen Wochen sind für den Wiener Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker eine "bewusste Beleidigung" des Islam. In Österreich wäre etwas Derartiges nicht möglich, sondern gesetzlich verboten, betonte der Experte im Gespräch mit dem Portal "religion.ORF.at".
Die Szene im Netz, die er hinter den Aktionen vermutet, sei in den vergangenen Jahren stärker geworden, sagte Lohlker. In Stockholm verbrannten am Montag erneut zwei Aktivisten öffentlich Seiten aus dem Koran. Die Exiliraker, die in den vergangenen Wochen bereits zwei ähnliche Aktionen in Stockholm durchgeführt hatten, zeigten auch Bilder von muslimischen Würdenträgern und traten auf ihnen herum. Die zuvor angemeldete Demonstration war polizeilich genehmigt worden.
Sowohl die schwedische als auch die dänische Regierung kündigten an, Rechtsmittel zu prüfen, um Derartiges gesetzlich verbieten zu können. Die Koranverbrennungen hatten zuletzt auch diplomatische Konsequenzen, Ausschreitungen in mehreren muslimischen Ländern waren die Folge.
"Sehr aktive Szene" im Internet
Seit Jahren, vor allem seit den Mohammed-Karikaturen, die die dänische Zeitung "Jyllands-Posten" 2005 abgedruckt hatte, gebe es im Internet eine sehr aktive Szene, der es tatsächlich darum gehe, wie sie Musliminnen und Muslimen am besten beleidigen und angreifen könne, erläuterte Lohlker: "Das ist offensichtlich jetzt das Resultat dieser langjährigen Propaganda und Onlinedebatten." Es sei "die Lust am Beleidigen und Verletzen".
Hinter den Koranverbrennungen und -schändungen sieht Lohlker aber keine politische Agenda, denn es sei "völlig irrational", es gehe tatsächlich um "Angriffe gegen eine religiöse Gemeinschaft", so der Islamwissenschaftler.
Der 37-jährige Exiliraker Salwan Momika und sein Helfer, der 48-jährige Salwan Nadschem, wollen mit ihren Aktionen ein Verbot des Korans in Schweden erreichen. Momika stammt aus einer assyrisch-christlichen Familie im Nordirak. Nach Schweden kam er 2018, im April 2021 erhielt er dort Asylstatus und eine Aufenthaltsgenehmigung für drei Jahre. Eigenen Angaben zufolge ist er Mitglied der rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die derzeit die schwedische Regierung im Parlament unterstützen. Sich selbst bezeichnet Momika als "Atheist, aufgeklärten Politiker, Denker und Autor".
Gewalt könnte auf Länder zurückschlagen
Er könne sich vorstellen, dass es im Falle weiterer Koranverbrennungen auch weitere Proteste und Drohungen in muslimischen Ländern geben werde, sagte Lohlker. Auch bestehe ein Risiko, dass die Gewalt auf Schweden und Dänemark zurückschlage. Neben der bereits erfolgten Distanzierung würde eine entsprechende Gesetzgebung gegen Hetze und die Herabwürdigung religiöser Überzeugungen helfen, so der Experte. Er warnte: "Die Gruppen, die diese Proteste organisiert haben, sind weiterhin da, und wenn sie weiterhin einen Anlass sehen, um gegen europäische Länder vorzugehen, werden sie sicherlich diesen Anlass begeistert aufgreifen."
In Österreich verboten
In Österreich wäre es schon jetzt ungesetzlich, öffentlich einen Koran oder eine andere heilige Schrift zu verbrennen - neben dem Straftatbestand Verhetzung greift hier auch das Verbot der "Herabwürdigung sozialer Lehren", das jede Religion schützt. Paragraf 188 im Strafgesetzbuch lautet: "Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen."
Bielefeldt fordert "klare politische Verurteilung"
Der langjährige UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, kritisiert die Koranverbrennungen in Schweden und Dänemark am Mittwoch auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) als "widerliche Akte der Provokation". Solche Akte stützten sich zwar auf die Meinungsfreiheit, die in freiheitlichen Rechtsstaaten aus guten Gründen weit ausgelegt werde. Ob sich Koranverbrennungen mit strafrechtlichen Sanktionen bekämpfen ließen, sei deshalb umstritten. "Ich würde dem Strafrecht jedenfalls keine zentrale Rolle für den Umgang mit solchen Provokationen zuerkennen", sagte Bielefeldt.
Umso wichtiger sei "eine klare und breit geteilte politische Verurteilung". Gefragt seien hier nicht nur Vertreterinnen und Vertreter von Regierung und Parlament, sondern auch die Zivilgesellschaft in ihrer Breite, "darunter nicht zuletzt die christlichen Kirchen sowie Organisationen, die sich im interreligiösen Dialog engagieren". Es gelte, "Muslimen in der aktuellen angespannten Situation immer wieder glaubhaft zu signalisieren, dass sie in der Abscheu vor solchen sinnlosen Akten der Zerstörung nicht allein sind", sagte Bielefeldt.
Von den Medien wünsche er sich, "dass sie der Versuchung widerstehen, Koranverbrennungen direkt ins Bild zu setzen". Natürlich müssten die Medien ihrer Berichtspflicht nachkommen. Dies sollte aber in einer Weise geschehen, "die die Provokation nicht unnötig verstärkt". In der Berichterstattung dürfe "die Gegenseite nicht fehlen: nämlich der öffentliche Protest gegen Inszenierungen der Religionsverachtung", sagte Bielefeldt. Er war von 2010 bis 2016 UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit. Seit 2009 hat der promovierte Philosoph den Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen inne.
Quelle: kathpress