Hochschulwochen-Obmann: "So wie jetzt kann es nicht weitergehen"
In der Gesellschaft würden lieber Wachstums- und Fortschrittsgeschichten erzählt, "aber was wir brauchen, ist eine kluge Reduktion". Mit diesen Worten hat der Salzburger Fundamentaltheologe Martin Dürnberger auf die notwendigen Konsequenzen aus einem über Generationen hinweg achtlosen und verschwenderischen Lebensstil hingewiesen und für eine Abkehr von der Haltung des "Höher, schneller, weiter, mehr" plädiert: "So wie jetzt kann es nicht weitergehen." Und damit umschrieb Dürnberger auch das Thema "Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen" der am Montag, 31. Juli, beginnenden Salzburger Hochschulwochen, deren Obmann er seit 2015 ist.
Dürnberger äußerte sich im Interview des Salzburger "Rupertusblattes" (Ausgabe 30. Juli) über die bei der traditionsreichen Sommertagung aufgespannte thematische Breite: "Natürlich spielen ökologische Fragen eine wichtige Rolle", etwa welche Landwirtschaft langfristig leistbar sei - und für welche Bevölkerungszahl? Darüber hinaus gehe es aber auch um soziale Aspekte wie dem Personalmangel etwa in der Pflege. Hier Lücken zu füllen, überfordere die in diesem Bereich Tätigen auf Dauer, wies Dürnberger hin: "Die Menschen ziehen sich mit Verweis auf die Work-Life-Balance zurück und sagen sich: 'Nein, ich will keine 40-Stunden-Woche mehr, denn das werden real 50 Stunden'."
Weitere Themen bei den Hochschulwochen beträfen den Umgang mit dem körperlichen Altern oder aber den Bildungsbereich, "in den immer mehr hineingestopft wird": Der Schule würden zunehmend gesellschaftliche Probleme aufgehalst, um die sie sich zu kümmern habe. "Die Kinder werden zu dick, die Leute wissen nicht, wie man eine Steuererklärung ausfüllt - das soll alles die Schule machen", kritisierte der Theologe.
Wo Reduktion wenig sinnvoll ist
Beleuchtet würden aber auch Fragen wie: "Wo ist Reduktion weniger sinnvoll?" und "Ist das alles sozialverträglich möglich?" Ein Beispiel für erstere ist laut Dürnberger ein Hochschulwochen-Vortrag des Salzburger Armutsforschers Gottfried Schweiger, der aufzeige: Bei der Entwicklung der Bildungschancen von Kindern oder bei Armutsprogrammen sind Verzicht und Einsparungen wohl fehl am Platz. Und Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, spreche über Gerechtigkeit. Wenn sich die Überflussgesellschaft mit guten Sicherungsnetzen in eine Post-Wachstums-Gesellschaft wandle und das Tortenstück für alle kleiner werde, werde es um die Frage gehen: Kann der Versuch gelingen, weniger Ressourcen sozialverträglich gerecht zu verteilen?
Unter dem provokant betitelten Vortrag "Ist das Kirche oder kann das weg?" widmet sich Aaron Langenfeld, Rektor der Theologischen Fakultät Paderborn, dem Thema: Was fehlt der Gesellschaft, wenn die Christen und die Kirche fehlen? Dürnberger sieht hier eine Parallele zur modernen Kunst: "Ob Kirche oder Kunst - für beides gibt es in Teilen der Gesellschaft Unverständnis."
Zu absehbaren Veränderungen des Glaubenslebens sagte der Hochschulwochen-Obmann, "die Vollversorgung in der katholischen Kirche - mit Pfarren überall, wo ich jeden Sonntag hingehen kann - ist eine Grundstruktur, die aufgrund des Priestermangels wegbröckelt". Es werde somit notwendig sein, sich Gedanken über eine "nach-volkskirchliche" Liturgie der Zukunft zu machen.
Heraus aus den Bubbles
Als großes Plus der seit 1931 bestehenden Salzburger Hochschulwochen mit erwarteten 600 bis 700 Interessierten bezeichnete Dürnberger den breiten Zugang zum gewählten Hauptthema: Neben der theologischen Perspektive gebe es immer auch interdisziplinäre Zugänge, die sowohl die jüngere als auch die ältere Generation anspreche. Die Kirche ist nach dem Eindruck Dürnbergers "hochgradig polarisiert - mit tausend Stimmen und Bubbles". Es gebe nur wenige Orte, wo unterschiedliche Perspektiven und Weltanschauungen der Kirche zusammenkommen. "Die Hochschulwochen sind genau so ein Ort", so deren Obmann.
Von 31. Juli bis 6. August sprechen zum Thema Reduktion zahlreiche Fachleute unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche. Prominenter Festredner zum Abschluss ist der österreichische Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger.
Prominente Gäste im Bischofsgarten
Im am Sonntag erschienenen Newsletter der Hochschulwochen kündigte Dürnberger prominente Gäste an, die am 3. August ab 17 Uhr beim Sommerfest im Garten von Erzbischof Franz Lackner erwartet werden. Seine Gesprächspartnerinnen werden die Mutter des "Jedermann" sein, heuer dargestellt von Nicole Heesters, die Schauspieldirektorin der Salzburger Festspiele, Bettina Hering sowie der Zukunfts- und Nachhaltigkeitsforscher Hans Holzinger.
Für alle an Musik Interessierten verwies Dürnberger auf die schon etablierte #shw2023-Playlist, die auf der Plattform Spotify abrufbar ist.
Liturgischer Start der Tagung ist am Montag um 8.45 Uhr in der Stiftskirche St. Peter, wo P. Paulus Koci von der Benediktinerabtei Kloster Ettal dem Eröffnungsgottesdienst vorstehen wird, bevor es um 10 Uhr mit den Vorträgen von Aaron Langenfeld und Alena Buyx in der Großen Aula der Uni Salzburg losgeht. Dort befindet sich auch das Tagungsbüro im Foyer, wo noch Karten für einzelne Tage oder Veranstaltungen erhältlich sind. (Detailprogramm: www.salzburger-hochschulwochen.at)
Quelle: kathpress