Theologe: Glaube kann bei Bewältigung globaler Krisen helfen
In einer Zeit globaler ökologischer und sozialer Krisen können Religion und Glaube wichtige Ressourcen sein, um angesichts der notwendigen Haltungsänderung zu einem "Weniger ist Mehr" nicht durch "Activist Burnout" überfordert zu werden. Wie der Salzburger Fundamentaltheologe Martin Dürnberger in einem Gastbeitrag für die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung "Die Furche" (27. Juli) darlegt, erleichtert die christliche Tradition die geforderte Lebensstiländerung in Richtung Reduktion durch "menschenfreundliches Gottvertrauen" im Blick auf die düster erscheinende Zukunft. Würde dieser Beitrag des Glaubens vor Ignoranz und Resignation bewahren, "wäre damit viel gewonnen", schrieb der Theologe.
Für Dürnberger steht außer Zweifel, dass es alle Anstrengungen brauchen werde, "um Gesellschaften auf Nachhaltigkeit zu polen und entsprechende Spannungen zu moderieren - auch die Anstrengungen der Kirchen". Er sieht die Gefahr, sich angesichts der übergroßen Problemlagen und permanenten Dringlichkeit zu erschöpfen. Der Theologe empfahl hinsichtlich der Erwartungen an sich selbst die etwa von Ignatius von Loyola 1555 beschriebene Haltung des Gottvertrauens: Diese bestärkt laut dem Gründer des Jesuitenordens darin, "in Ruhe das zu tun, was ihr tun könnt. Kümmert euch nicht um den Rest; überlasst der göttlichen Vorsehung, was ihr selbst nicht bewerkstelligen könnt." Das sei "mitnichten ein Kleinreden unseres Handelns", merkte Dürnberger dazu an, "aber es enthält eine human realistische Perspektive darauf".
Der Fundamentaltheologie-Professor ist Obmann der "Salzburger Hochschulwochen", die vom 31. Juli bis 6. August dem Thema "Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen" gewidmet sind. Dürnberger hielt dazu fest, dass die bisher geltende Maxime "Höher, schneller, weiter - mehr!" in Sackgassen führe. Die Erschöpfung der Ressourcen - ob ökologischer oder sozialer Natur - sei groß. Und doch "tun wir uns schwer damit, die Logik des Mehr hinter uns zu lassen".
Grundlegender Paradigmenwechsel nötig
Warum das so ist, begründet Dürnberger in der "Furche" damit, dass sich moderne Gesellschaften "nicht mehr aus dem Rückwärtigen stabilisieren", also aus Herkunft und Tradition, sondern primär aus der Bewegung nach vorne. "Nicht der längere Stammbaum soll über gesellschaftliche Positionen entscheiden, so das emanzipatorische Versprechen, sondern die bessere Leistung auf einem freien, wettbewerbsförmigen Markt".
Dies führe global an deutlich erkennbare Grenzen. Das bekannte Bonmot Karl Valentins "Die Zukunft war früher auch mal besser" bringe eine verbreitete Gefühlslage auf den Punkt. Dürnberger: "Heute noch ernstlich zu erwarten, dass die eigenen Kinder es einmal besser haben als man selbst, erscheint als (zwar sympathische, gleichwohl etwas) naive Haltung: Zwischen fortschreitendem Klimawandel und geopolitischen Konfliktverschärfungen traut man sich kaum mehr zu hoffen, dass sie es zumindest nicht viel schlechter haben werden." Formen der Reduktion erschienen als Gebot der Stunde, ja als heilsversprechender "quasi-soteriologischer Topos".
Politik zeigt "populistischen Trotz"
Ein Kurswechsel in diese Richtung ist nach den Worten des Theologen jedoch offenkundig eine schwierige Übung: "Man müsste dafür tief verankerte kulturelle und psychosoziale Codes überschreiben. Als persönliche Lebensstil-Entscheidung mögen Reduktion, Konsumverzicht, Minimalismus attraktiv sein - aber als gesellschaftliche oder gar politische Leitmotive?" Dürnberger verwies auf den "populistischen Trotz", mit dem manche Politiker das Verteilungsproblem verdeutlichten, das in Reduktionsforderungen schlummert: "Man will und kann es zwar nicht lösen, wohl aber für sich nutzen - immerhin zur Mehrheitsbeschaffung mag es taugen." Auch sei es "unredlich", seine Hoffnung ganz auf technologische Transformationen und Innovation zu setzen. Nicht nur der Planet, auch die sozialen Konfliktlagen drohten sich entsprechend aufzuheizen und Kipp-Punkte zu erreichen, warnte der Theologe.
Auch wenn die Kirchen aktuell mit ihrem eigenen Kleiner-Werden beschäftigt seien und "auch ihre besten Impulse nur mehr bedingt kulturelle Leuchtkraft entfalten", traut Dürnberger der Religion die Aktivierung von Resilienz zu: Im Glauben hielten sich "Perspektiven lebendig, die in den genannten Transformationen bedeutsam sein können, nicht zuletzt weil die Herausforderungen so groß sind, dass man wahlweise resignativ oder zynisch werden könnte".
Hochschulwoche mit Nobelpreisträger
Die "Salzburger Hochschulwochen" warten heuer mit einem prominenten Festredner auf: Österreichs Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger wird den Festvortrag am 6. August zum Abschluss halten. Anstöße zum Thema "Reduktion!" geben auch der Paderborner Theologe Aaron Langenfeld, die Medizinethikerin Alena Buyx, die Psychologin Isabella Uhl-Hädicke und der Umwelt-Pionier Dirk C. Gratzel. Neben dem bekannten Mix aus Vorträgen, Diskussionen und Workshops wird es u.a. einen Empfang im Garten des Salzburger Erzbischofs Franz Lackner geben. (Info: www.salzburger-hochschulwochen.at)
Quelle: kathpress