Heidegger: Gletscher "im Würgegriff von Verbrennungsmotoren"
Auf den alarmierenden Zustand der Alpengletscher als "sichtbarste Zeugen des Klimawandels" hat der Vorsitzende der Katholischen Aktion (KA) Tirol und begeisterte Bergsteiger Klaus Heidegger aufmerksam gemacht. Die Gletscher seien "Fieberthermometer des Planeten" - und dieses steige in bisher ungekannte Höhen, wie der Religionspädagoge nach einer Fahrt zu den Viertausendern im Wallis Mitte Juli in einem Blog festhielt. Der Rhonegletscher etwa befinde sich "im Würgegriff von Verbrennungsmotoren", beklagte Heidegger, der auch regelmäßig Teil der Klimaprotestbewegung in Tirol ist.
Kirchliche Anteilnahme an Schwinden der Jahrhunderte alten hochalpinen Gletscher war erst kürzlich Thema der medialen Berichterstattung: Mit Trauerfeiern für die "sterbenden" und schmelzenden Gletscher machten die katholische und evangelische Kirche in Österreich und Deutschland auf die Folgen der Klimaerwärmung und Umweltzerstörung aufmerksam. Die Diözese Feldkirch etwa feierte Anfang Juli ein ökumenisches Requiem für den Brandner-Gletscher im Rätikon, wie das "Vorarlberger Kirchenblatt" informierte.
Klaus Heidegger bekommt als begeisterter Bergtourengeher und Radfahrer das Ausmaß der Gletscherschmelze aus nächster Nähe mit. Am Ende des 21. Jahrhunderts werde es den Rhonegletscher - und mit ihm alle anderen - nicht mehr geben, wenn die Klimaerwärmung weiterhin so ansteigt, warnte er in seinem aktuellen Blog. Nur mehr einzelne Schneereste oberhalb von 3500 Metern würden sich halten können. Die Hälfte des Volumens der Gletscher in der Schweiz sei in den letzten Jahrzehnten bereits verschwunden.
Schmelzwassersee statt Eis
Bereits im vergangenen Sommer 2022 - dem heißesten Sommer seit Aufzeichnung der Temperaturen - sei die Eismasse des Rhonegletschers um sechs Prozent geschmolzen, erinnerte der KA-Vorsitzende. Der graubraune See, in dem sich Schmelzwasser sammelt, sei groß geworden. Darin schwimmen Reste vom Vlies, mit dem die untere Gletscherzunge abgedeckt wird, berichtete Heidegger. "Die grau-braun-weißen Stoffplanen sehen aus wie Leichentücher." Auf der verbliebenen Eismasse könne man schwarz-braun-graue Ablagerungen sehen, darunter die schmierigen Rußpartikel aus den Verbrennungsmotoren, die Besucher im Quellgebiet der Rhone mitbringen. Diese Ablagerungen am Eis würden das Erwärmen der Gletscher noch beschleunigen, weil sie das Reflexionsvermögen des Eises vermindern und die Wärme der Sonne absorbieren.
Der Rhonegletscher stehe für das, was allgemein mit den Gletschern in den Alpen geschieht, wies Heidegger hin. Zuletzt war er am Turtmanngletscher, bekannt für einen großen Gletscherabbruch im Sommer 2020: "Die Gletscherzunge hat sich vom oberen Teil des Eisstromes komplett abgetrennt und wird nun absterben. So wie in Österreich bei der Pasterze!"
Auch eine Frage der Ethik
Die Kipppunkte für das Weltklima sind nach den Worten des Umweltaktivisten erreicht. Das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens "ist bereits unrealistisch geworden". Die Wissenschaft gehe für Europa bereits von einer Klimaerwärmung von mehr als 2 Grad plus gegenüber der vorindustriellen Zeit aus.
Dies sei auch eine Frage von Moral und Ethik: "Als Theologe engagiere ich mich für die Scientists for Future, unterstütze Aktionen der Letzten Generation und anderer Klimaschutzinitiativen, versuche - wo immer es mir möglich ist - klimabewusst zu leben und ich gebe zu: es gelingt mir nicht immer", schrieb Heidegger. Jedoch: Viel Zeit, um das vollständige Abschmelzen der Gletscher zu verhindern, gebe es nicht mehr. "Doch die herrschende Politik laviert populistisch herum und scheut sich vor wirklich notwendigen Klimaschutzmaßnahmen wie der Teufel vor dem Weihwasser." Heideggers Überzeugung: Wir brauchen in Österreich dringend die Beschlussfassung des Klimaschutzgesetzes, das auch ein Gletscherschutzgesetz ist. Und auch Tempo 30/80/100 im Straßenverkehr statt einer Kriminalisierung der Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation".
Quelle: kathpress