Laschet: "Brauchen Wechselwirkung zwischen Christentum und Politik"
Den Auftrag an die Christen, die Welt zu gestalten und sich dafür auch politisch zu engagieren, hat der deutsche Bundestagsabgeordnete und ehemalige CDU-Vorsitzende Armin Laschet hervorgehoben. Es brauche eine Wechselwirkung zwischen Christentum und Politik sowie zwischen Christsein und Politikersein, so Laschet im Rahmen der Sommerakademie der Katholischen Männerbewegung Österreichs (KMBÖ) im niederösterreichischen Horn von 13. bis 15. Juli. Weitere Vortragende waren P. Markus Inama, Superior der Jesuiten in Wien, und Katharina Renner, Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ). Am letzten Tag der 36. Sommerakademie wird das 75-Jahr-Jubiläum der KMBÖ unter dem Motto "Von den Anfängen ins Morgen" gefeiert. Den Festgottesdienst feiert der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl.
Sorge äußerte Laschet darüber, dass die Weitergabe des christlichen Glaubens und damit eine christliche Werteorientierung in Ländern wie Deutschland oder Österreich abnimmt und das Christentum zunehmend "verdunstet". Bereits 42 Prozent der Menschen in Deutschland seien konfessionslos, 24 Prozent katholisch, 22 Prozent evangelisch. Der Rekord an Austritten aus der katholischen Kirche von mehr als 500.000 im Jahr 2022, befeuert durch die Missbrauchskrise, sei "ein Aderlass" gewesen, so der Katholik Laschet.
Seiner Einschätzung verläuft die Aufarbeitung dieser Missbrauchskrise nur bedingt gut. So helfe die Tendenz mancher Bischöfe, vorrangig auf eine Schuldzuweisung an ihre Vorgänger zu setzen, nicht weiter. Es brauche ein Wahrnehmen der Verantwortung für die Maßnahmen heute, was Schutzmaßnahmen und den Umgang mit den Opfern aus Vergangenheit betrifft. Wenn es persönliche Versäumnisse oder Verfehlungen gegeben habe, dann sollten die betroffenen Bischöfe auch persönliche Konsequenzen ziehen, sagte Laschet in Anspielung auch auf die - auch gerichtlich geführten - Auseinandersetzungen um den Kölner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki.
Die katholische Kirche sei durch diese Krise zu sehr mit sich selbst beschäftigt: "Eine Gesellschaft, in der die Kirchen nicht mehr ihre Werte einbringen, weil sie zu schwach oder in ihrer Glaubwürdigkeit beschädigt sind, erfährt einen großen Verlust, denn andere vermitteln diese Werte nicht", so der CDU-Politiker. Populisten und "skurrile Gruppierungen" erhielten dadurch Aufschwung.
"Rerum Novarum" stellte wichtige Weichen
Als eine wesentliche Basis für christliche Politik bezeichnete Laschet die christliche Soziallehre. Auf katholischer Seite habe etwa Papst Leo XIII. mit seinem Sozialrundschreiben "Rerum Novarum" 1891 wichtige Weichen gestellt und im Blick auf die damalige Situation einen Mittelweg zwischen Liberalismus und Kollektivismus versucht; spätere Konzepte sprachen von der "sozialen Marktwirtschaft". Aber auch die christliche Soziallehre müsse stets aktualisiert werden, etwa im Blick auf die Klimakrise oder die Künstliche Intelligenz.
100 Jahre nach "Rerum Novarum" veröffentlichte Johannes Paul II. seine Sozialenzyklika "Centesimus Annus", im Jahr 1991 nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Der damalige Papst schreibt - so Laschet - von einer Niederlage des Kommunismus, aber keinem Sieg des Kapitalismus. Er warne vor Geldwerten, die nicht auf der Basis menschlicher Arbeit geschaffen werden, sondern durch Finanzspekulationen aller Art. Mit seiner Warnung habe er Entwicklungen vorausgesehen, wie die Finanzkrise 2008.
Die Christliche Soziallehre muss aktualisiert, modernisiert werden, sagte Laschet weiter, allerdings gebe es heute wieder Tendenzen, zu viel staatlich zu regeln. Das überfordere den Staat, auch finanziell.
Ukraine benötigt Unterstützung
Im Blick auf den Ukraine-Krieg erinnerte Laschet auf das "Budapester Memorandum" von 1994. Darin verzichtete die Ukraine - wie auch Belarus und Kasachstan - auf die Atomwaffen, die aus der Zeit der Sowjetunion noch auf ihrem Gebiet stationiert waren; im Gegenzug sagten Russland, Großbritannien und die USA der Ukraine Sicherheitsgarantien und die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen zu. Mit Eroberung der Krim und dem jetzigen Krieg gegen die Ukraine hat Russland dieses Abkommen verletzt. Im Memorandum ist jedoch nicht festgelegt, welche Folgen eine solche Verletzung nach sich zieht. Die Ukraine benötige zwar Unterstützung, in der jetzigen Situation sei es aber vernünftig, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen, denn dann wäre die Beistandspflicht sofort gegeben, so Laschet, der Mitglied des Außenpolitischen Ausschusses des Deutschen Bundestages ist.
"Gemeinschaft und Kontakte ebnen Wege aus der Armut"
"Armut macht einsam, und Einsamkeit verstärkt Armut. Für Wege aus der Armut braucht es daher Gemeinschaft und Kontakte": Das unterstrich Katharina Renner, Leiterin des Bereichs Pfarrcaritas, Regionalbetreuung und Hilfe für Ukrainer:innen der Caritas der Erzdiözese Wien, bei der KMBÖ-Sommerakademie. Trotz der aktuellen Krisen gehe es den Menschen in Österreich generell besser, als es manchmal den Eindruck macht. Es sei ist nicht so, dass ganze Gesellschaftsschichten verarmen, der hiesige Lebensstandard sei immer noch sehr hoch. "Aber es gibt zweifellos Armut in Österreich, und sie uns oft näher, als wir denken", so Renner.
Armut mache aber auch einsam, so eine Erfahrung der Caritas. Es benötige daher mehr Orte, die Wege aus der Einsamkeit ermöglichen. Als Beispiele nannte Renner die Initiative "LE+O" (Lebensmittel und Orientierung), Klimaoasen in Pfarrgärten oder das "Plauderbankerl".
Diese Initiative seien nur durch das Engagement von Freiwilligen möglich. Renner - ehrenamtliche Vizepräsidentin der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) - warnte aber vor dem "Missverständnis", "dass man bei Hauptamtlichen sparen kann und die Ehrenamtlichen dann deren Aufgabe übernehmen". Freiwillige benötigten Unterstützung durch Hauptamtliche, Institutionen und die tragenden Strukturen. Ihnen Unterstützung zu streichen, wie es etwa jetzt in der Diözese St. Pölten überlegt werde, führe in die genau falsche Richtung, so die KAÖ-Vizepräsidentin.
Krise lehrt nicht automatisch beten
Krisen gehen nicht Hand in Hand mit einer Zunahme an Spiritualität, nach dem Motto: "Wenn es den Menschen schlechter gehen würde, dann würden sie mehr beten", erklärte Jesuitenpater Markus Inama, stellvertretender Rektor der Jesuitenkirche in Wien und Mitglied des Vorstands der "Concordia"-Sozialprojekte für arme und obdachlose Jugendliche in Osteuropa. Eine Krise könne aber eine Spiritualität, die vorhanden ist, stärker erfahrbar machen. Man könne "in der Krise aus den spirituellen Reichtümern der eigenen und anderer Religionen schöpfen" und Halt finden. In diesem Sinne könne auch das Motto der KMBÖ-Sommerakademie "Du führst mich hinaus ins Weite" verstanden werden.
Quelle: Kathpress