Katholische Arbeitnehmer für Aufwertung der "Sorgearbeit"
Sorgearbeit in das Zentrum von Wirtschaft und Politik zu rücken, dafür plädiert die Vorsitzende der "Katholischen Arbeitnehmer:innen-Bewegung Österreich" (KABÖ), Anna Wall-Strasser. Sorgearbeit sei "das Herzstück allen Wirtschaftens", ohne sie gebe es kein menschliches Leben und Zusammenleben. "Eine ganzheitliche menschliche Entwicklung wird dann möglich sein, wenn wir uns nicht mehr gegenseitig fragen: 'Was ist dein Beruf?', sondern: 'Für wen sorgst du?'", zitierte Wall-Strasser in ihrer Aussendung am Donnerstag die italienische Ordensfrau, Wirtschaftswissenschaftlerin und Sekretärin des vatikanischen Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, Alessandra Smerilli.
Es sei noch nicht lange her, "da wurde den Menschen, die in Krankenhäusern und Altenheimen arbeiten, von den Balkonen laut und heftig applaudiert", erinnerte die KABÖ-Vorsitzende. In der Corona-Pandemie "wurde plötzlich bewusst, wie wichtig die Arbeit der Pflege und Betreuung für unsere Gesellschaft ist". Mittlerweile sei wieder "Normalität" eingekehrt und die Hoffnung auf eine Änderung gesellschaftlicher Wertigkeiten habe sich verflüchtigt. "Von Pflegenotstand ist die Rede. Pflegebetten stehen leer, weil das Personal fehlt. Die Arbeitsbedingungen machen eine gute Pflege unmöglich, sagen jene, die mit viel Engagement und Herzblut den Pflegeberuf ergriffen haben und jetzt damit kämpfen, nicht selber völlig auszubrennen", wies Wall-Strasser hin. "Viele wollen aus dem Beruf aussteigen, weil sie sich aufreiben am Widerspruch zwischen dem engen Zeitkorsett und den Bedürfnissen der zu Pflegenden."
An diesen Phänomenen zeige sich "eine gravierende gesellschaftliche Krise der Care-Arbeit". Das englische Wort "care" bedeutet pflegen, sorgen, sich kümmern; Care-Arbeit meine nicht nur die Pflegedienstleistungen am Arbeitsmarkt. "Alle Haushaltstätigkeiten, beginnend mit Kochen, Putzen, Kindererziehung bis zu Beziehungsarbeit, Familienorganisation und Versorgung von alten und kranken Menschen sind darin enthalten. Alle diese vielen Aspekte der Sorge machen menschliches Leben erst möglich", hielt Wall-Strasser fest. Weil diese Arbeiten jedoch überwiegend nicht bezahlt werden, "sind sie unsichtbar und werden bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts nicht eingerechnet". Dabei machten sie laut Studien der Vereinten Nationen bis zu 40 Prozent der Wirtschaftsleistung aus.
"Unsichtbar, unbezahlt, weiblich"
Dazu komme: "Unsichtbare unbezahlte Care-Arbeit ist weiblich." Sorgearbeit sei "eklatant unterbewertet" und ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt. Das habe erwiesenermaßen die generelle Unterbezahlung von Frauenarbeit zur Folge und bringe weitreichende Ungleichheit und Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern mit sich: "Vorwiegend Frauen arbeiten Teilzeit, niedrige Löhne haben niedrigeres Arbeitslosengeld und niedrige Pensionen zur Folge, die Frauenarmut steigt."
Die KABÖ-Vorsitzende machte auch auf die weltweiten Aspekte der hiesigen Pflegekrise aufmerksam: "Als Ausweg wird aktuell die Anwerbung ausländischer Pflegekräfte propagiert. Die globale Care-Migration zieht jedoch Frauen aus ihren Familien in ihren Heimatländern ab, zurück bleiben zerrissene Familien, Kinder und alte Menschen."
"Care-Arbeit ist - bezahlt oder unbezahlt - die Grundlage aller Lebensbereiche. Das ist offensichtlich etwas so Selbstverständliches, dass es erst langsam sickert, wenn Frauen proklamieren: Ohne uns geht nix!", so Wall-Strasser weiter. "Für ein fürsorglich geprägtes Zusammenleben sind wir alle begabt. Wir leben von der Geburt bis zum Tod in Beziehungen, sind aufeinander angewiesen und füreinander verantwortlich. Diese Verantwortung muss in solidarischer Weise organisiert werden."
"Um-Care" nötig
Wall-Strasser verwies auf die Initiative "Fair sorgen! - Wirtschaften fürs Leben", ein breites Bündnis österreichischer Organisationen und Initiativen. Die Initiative fordere mehr Zeit, Geld und Wertschätzung für jene, die Care-Leistungen erbringen, sowie mehr Rechte und mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten in dem Bereich.
Zur ausreichenden Finanzierung des Care-Bereiches wird unter anderem eine gerechte Besteuerung von Vermögen und Gewinnen gefordert. Es seien "kräftige Investitionen in gute Pflege und Betreuung" nötig, gut bezahlte Sorgearbeit bringe Wertschöpfung für alle. Und eine generelle Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit würde die Voraussetzung für faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit schaffen. "'Um-Care' tut not. Wirtschaften fürs Leben ist ein Ziel, für das es sich lohnt, in der Gegenwart etwas zu verändern - zum Wohle aller", betonte Wall-Strasser.
Quelle: kathpress