Linz: Jüdischer Friedhof erstmals öffentlich zugänglich
Im Rahmen einer Führung ist der jüdische Friedhof in Linz erstmals öffentlich zugänglich gewesen. Rund 60 Personen waren am Donnerstag der Einladung des St. Barbara Friedhofes gefolgt, wo der jüdische Friedhof angesiedelt ist, wie die Friedhofsbetreiber in einer Aussendung am Samstag mitteilten. Geführt wurde die Besuchergruppe u.a. von einem Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde. Der jüdische Friedhof wurde im Dezember des Vorjahres nach einer Generalsanierung eröffnet.
Der jüdische Friedhof liegt heute innerhalb des Areals des katholischen St. Barbara Friedhofs und wird von der Israelitischen Kultusgemeinde selbst verwaltet. Der St. Barbara Friedhof unterstützt die Kultusgemeinde logistisch bei den nur alle paar Jahre stattfindenden Bestattungen. Die gesamte Friedhofsanlage liegt nahe am Linzer Stadtzentrum, wurde am Ende des 18. Jahrhunderts errichtet und zählt damit zu den ältesten Friedhöfen in Oberösterreich. Über die Jahrhunderte konnte das Friedhofsgelände auf 12 Hektar erweitert werden, heute befinden sich hier rund 20.000 Grabplätze.
Aufgrund des großen Interesses will der St. Barbara Friedhof in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde künftig weitere Führungstermine auf dem jüdischen Friedhof anbieten, wie es in der Aussendung hieß. Fix geplant ist bereits ein Vortrag der Präsidentin der Israelitischen Kulturgemeinde, Charlotte Herman, über das Thema "Der Tod im Judentum". Er findet am 9. Oktober 2023 um 18.00 Uhr am St. Barbara Friedhof statt.
Verwobene Geschichte
Schon aus dem Jahr 1497 ist bekannt, dass in Linz sesshafte jüdische Familien vergeblich versuchten einen eigenen Friedhof zu errichten. Tote mussten mit verdeckten Wagen ins südböhmische Rozmberk (Rosenberg) gebracht werden, was hohe Kosten für die Familien verursachten.
Erst das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. erlaubte 1781 jüdischen Gemeinden Gottesdienste abzuhalten. Nachdem erste Versuche zur Gründung eines jüdischen Friedhofes in Linz am Widerstand der katholischen Kirche gescheitert waren, konnte die jüdische Gemeinde erst im Jahr 1862 ein Grundstück in der damaligen Gemeinde Lustenau - nur 200 Meter vom St. Barbara Friedhof entfernt - erwerben. Bereits 1863 wurde der erste Verstorbene auf dem neuen jüdischen Friedhof bestattet. In den nächsten Jahrzehnten wurde die letzte Ruhestätte durch Grundzukäufe erweitert.
Nach der Machtübernahme durch das NS-Regime war der jüdische Friedhof unmittelbar von seiner Schließung bedroht. In dieser kritischen Situation bewährte sich das mittlerweile gute Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Kultusgemeinde. 1938 wurde dem Barbara-Gottesacker-Fonds das gesamte Grundstück zur Pacht auf 99 Jahre angeboten. Die unbelegten Parzellen sollten teils als Schrebergärten vergeben werden und teils dem Barbara-Friedhof zur Verfügung stehen. Die Gegenleistung war, den jüdischen Friedhof "zu bewachen, zu betreuen und instand zu halten". 1945 wurde der Pachtvertrag einvernehmlich wieder gelöst - und so der jüdische Friedhof vor der Zerstörung gerettet. 116 Gräber wurden durch Bombardierung im Zweiten Weltkrieg zur Gänze zerstört und sind nicht mehr sichtbar. Durch einen Lageplan ist heute jedoch noch nachvollziehbar, wo welche Personen begraben sind.
Anfang Dezember 2022 wurde der jüdische Friedhof nach einer Generalsanierung feierlich eröffnet. Davor waren Grabsteine gesichert und mit den Gräbern verbunden worden. Es wurden neue Bäume gepflanzt. Ein Teil der dafür aufgewandten Mittel stammt aus dem "Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich" des Bundes. Die Stadt Linz wird in den nächsten 20 Jahren für die weitere Pflege des denkmalgeschützten jüdischen Friedhofs sorgen.
Friedhöfe im Judentum
Ein jüdischer Friedhof ("Beth Olamin" = "Haus der Ewigkeit") unterscheidet sich in mehreren Punkten von christlichen Gottesäckern: Es ist nur eine Erdbestattung, keine Verbrennung des Verstorbenen, vorgesehen. Jüdische Gräber dürfen nicht wieder belegt werden. Die Ruhe der Toten zu stören ist schmählich, ihnen gehört die Erde, in die sie gebettet wurden, auf ewig. Blumenschmuck ist auf einem jüdischen Friedhof nicht üblich.
Friedhofsbesuche sind am wöchentlichen Feiertag Sabbat und an anderen jüdischen Feiertagen nicht vorgesehen. Bei einem Besuch ist zu beachten, dass Männer eine Kopfbedeckung tragen müssen (meist eine Kippa wie in der Synagoge).
Quelle: kathpress