Schönborn vermisst gemeinsame Position in Migrationsfragen
Für Kardinal Christoph Schönborn ist es eine "schwere Enttäuschung", dass die Bischöfe in Europa bisher keine gemeinsame Position in Migrationsfragen gefunden haben. Die CCEE, also der Rat der europäischen Bischofskonferenzen dem der Wiener Erzbischof während seiner Zeit als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz angehörte, habe sich in den 22 Jahren, in denen er Mitglied gewesen sei, mit vielen Themen beschäftigt, sagte Schönborn vor Journalisten in Rom (Dienstag). "Aber sie hat es nie geschafft, eine gemeinsame Position der europäischen Bischöfe in der Migrationsfrage zustande zu bringen."
Papst Franziskus habe bei diesem Thema etliche Impulse gesetzt, die aber nicht aufgegriffen worden seien, so der Kardinal. Und Schönborn weiter: "Also wenn die Synodalität, die Franziskus jetzt verstärkt praktizieren will, nicht zu klaren Worten zu den großen gesellschaftlichen Problemen führt, dann ist sie gescheitert."
Die Aussagen des Wiener Erzbischofs fielen bei einem Interview mit österreichischen Journalisten in Rom. Schönborn besuchte mit den Medienvertretern dabei am Montag und Dienstag mehrere Behörden der vatikanischen Kurie.
Der Präfekt des Kurien-Dikasteriums für den Dienst ganzheitlicher menschlicher Entwicklung, Kardinal Michael Czerny, wollte sich beim Besuch der österreichischen Delegation nicht für den Vatikan zu den jüngsten Katastrophen mit Flüchtlingsbooten im Mittelmeer äußern. Man müsse alle europäischen Bischöfe und die nordafrikanischen Bischöfe zu diesem Thema befragen, denn der Mittelmeerraum sei eine europäische, nordafrikanische und nahöstliche Realität. "Genau das haben wir versucht voranzutreiben - ohne viel Erfolg", fügte Czerny hinzu.
Allerdings verwies der Kurienkardinal auf ein mehrtägiges Treffen von 70 Bischöfen und jungen Menschen aus dem gesamten Mittelmeerraum im September in Marseille. Es sei ein Versuch, "nicht von der Gesamtheit der Bischöfe in Europa, sondern von europäischen Bischöfen, diese Lähmung zu überwinden", wie Czerny erklärte. Zum Abschluss des Treffens wird auch der Papst in Marseille erwartet. Franziskus war bereits 2020 zum ersten "Mittelmeer-Treffen" nach Bari/Italien gereist; zum zweiten Treffen in Florenz 2022 war er verhindert.
Über "Migranten" statt "Migration" sprechen
Im Gespräch mit den Journalistinnen und Journalisten aus Österreich plädierte Kardinal Czerny ausdrücklich für den Blick auf die Menschen mit ihren Fluchtgeschichten und eine deutliche verbale Unterscheidung zwischen der Frage nach "Migration" und der Frage nach den "Migranten".
"Migration ist nicht die richtige Bezeichnung für das ist, worum es uns wirklich geht. Migration ist eine Abstraktion und außerdem sehr anfällig für Manipulation und ideologischen Missbrauch", erklärte Czerny. Migranten hingegen seien "Tausende und Abertausende - und sie sind konkrete Personen und Familien", hielt der Kardinal fest. Über diese Menschen gebe es "10.000 Geschichten, und viele davon würden Ihnen die Tränen in die Augen treiben", sagte Czerny, der ab 2017 mehrere Jahre lang als Flüchtlingsbeauftragter des Papstes tätig gewesen war.
Quelle: kathpress