Jüdisch-christlicher Dialog: Theologie will von Debatte in USA lernen
Eine Positiv-Bilanz zur jüngst in Boston/USA zu Ende gegangenen Jahrestagung des Internationalen Rates der Christen und Juden (ICCJ) haben der Salzburger Theologe Gregor Maria Hoff und die Salzburger Theologin Elisabeth Höftberger gezogen. Sie habe nicht nur die "weltumspannende Internationalität des jüdisch-christlichen Dialogs" und das spürbare Vertrauen beeindruckt, sondern auch die politisch-theologische Dimension gerade in interkulturellen Zusammenhängen, so Hoff und Höftberger in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.
Identität sei keine eindimensionale Kategorie, die sich nur auf Fragen von Religion oder Weltanschauung reduzieren lasse. Vielmehr gehe es darum, gerade im interreligiösen Dialog einen Raum für Lebensgeschichten zu öffnen, die oftmals auch von Diskriminierungserfahrungen und Verfolgung gezeichnet sind, so Höftberger: "Glaubenserfahrungen, Identitäten, Diskriminierung und Verfolgung wegen antisemitischer oder rassistischer Ideologien - all das sind sensible Themen, für die es einen Raum zum Austausch braucht." Vielversprechend sei da die These bzw. Kategorie der "Intersektionalität", d.h. der Überzeugung, dass Diskriminierungsformen wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, religiöse Verfolgung etc. keine voneinander getrennten Phänomene seien, sondern sich biografisch durchaus überschneiden und zu neuen, eigenständigen Diskriminierungserfahrungen führen könnten.
Elisabeth Höftberger zusammenfassend: "Das Konzept der Intersektionalität ist hilfreich, um zu erkennen, dass jemand nicht nur wegen eines Aspekts abgewertet wird, sondern gleich aus mehreren. Während in den USA die Kategorie 'race' zentral ist und den Blick bis zurück auf die schreckliche Geschichte der Sklaverei lenkt, waren sich die Teilnehmerinnen einig, dass in einem europäischen Kontext die Kategorie der 'Ethnie' stärker Grund für Diskriminierung ist. So wurde in der Abschlussdiskussion auch deutlich, dass unser jeweiliger Kontext wie eine Linse ist, durch die wir soziale Prozesse interpretieren."
Neben Hoff und Höftberger nahm auch der Vizepräsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Willy Weisz, an der Tagung in Boston teil. Er und Höftberger verwiesen darauf, dass neben dem Öffnen von Räumen der Begegnung auch ein neues Einüben einer Kultur des Zuhörens ein wichtiger Impuls sei, der von der Tagung ausgegangen sei und den es im europäischen jüdisch-christlichen Dialog umzusetzen gelte. "Um Menschen, die in großer Opposition zueinander sind, ins Gespräch zu bringen, braucht es zuerst genaues Zuhören. Gehört zu werden, ist ein großes Geschenk", so Höftberger.
Die ICCJ-Tagung stand unter dem Titel "Negotiating Multiple Identities: Implications for Interreligious Relations". Im kommenden Jahr soll die Tagung in Salzburg stattfinden. Organisiert wird sie u.a. vom ICCJ in Zusammenarbeit mit dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit (Österreich/Wien) und der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg.
Seelisberg Preis an deutschen Historiker
Im Rahmen der Tagung wurde u.a. der "Seelisberg Preis" für besondere Verdienste um den jüdisch-christlichen Dialog verliehen. Ausgezeichnet wurde der deutsche Experte für jüdische Geschichte und Theologe, Prof. Joseph Sievers. Der ICCJ vergibt den mit 10.000 Euro dotierten Preis seit dem letzten Jahr gemeinsam mit dem Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen (ZTKR) an der Universität Salzburg.
Man wolle mit dem Preis Vorbilder des interreligiösen Dialogs ins Rampenlicht rücken und ihnen "ein Gesicht geben", so Hoff, der u.a. für das große, am ZTKR verortete "Research Programme Jewish Christian Dialogue" verantwortlich zeichnet, das den Preis gestiftet hat und zudem die Preisträger als "Research Fellows" an die Universität Salzburg holt.
Quelle: kathpress