Graz: Theologische Fakultät will Antisemitismus-Forschung stärken
Mit einer neuen Kooperation an der Universität Graz will die Katholisch-Theologische Fakultät die Forschung zu Antisemitismus und Antijudaismus forcieren. Man wolle gemeinsam mit dem Centrum für Jüdische Studien der Universität Graz ein Forschungsprojekt entwickeln, das die Rolle der Katholischen Kirche in der Steiermark und der Katholischen Theologie an der Universität Graz bei der Verbreitung des Antisemitismus zwischen 1918 und 1938 erforscht, teilte Prof. Martina Bär gegenüber Kathpress mit. Bär ist mit ihrem Fachbereich Fundamentaltheologie treibende Kraft und Initiatorin des Projekts. Besonders in den Blick genommen werden soll die Mentalitätsgeschichte jener Zeit sowie die Funktion der Presse.
Hintergrund des geplanten Forschungsprojekts ist die Diagnose eines zuletzt während der Corona-Pandemie feststellbaren Anstiegs des Antisemitismus u.a. in der Steiermark, so Bär. "Das Narrativ einer jüdischen Verschwörung in gesellschaftlichen Krisenzeiten hält sich offenbar hartnäckig." Bislang weitgehend unerforscht seien die Zusammenhänge zwischen einem christlichen Antijudaismus und politischem Antisemitismus in der Zeit vor dem Nationalsozialismus unter den Katholikinnen und Katholiken sowie in der katholischen Publizistik speziell in der Steiermark, deren Motive bis in die heutige Zeit tradiert werden, so Bär.
Zum Auftakt des Kooperationsprojekts referierte am vergangenen Dienstag der Theologe und Experte für die Geschichte der Jüdisch-Christlichen Beziehungen, Prof. Rainer Kampling von der Universität Berlin. Kampling ist u.a. Leiter des Berliner Forschungsprojekts "Christliche Signaturen des zeitgenössischen Antisemitismus". Dabei zeigte Kampling auf, dass der politische-soziale Antisemitismus des 19. Jahrhunderts und der christliche Antijudaismus stärker miteinander verflochten seien, als in der aktuellen Antisemitismusforschung angenommen wird.
Der Religion werde in der zeitgenössischen Antisemitismusforschung meist eine marginale Rolle zugesprochen bzw. diese als vormoderne, heute überkommene Formen der Judenfeindschaft abgetan, so Kampling. Tatsächlich aber beziehe sich der moderne, säkulare Antisemitismus häufig auf christliche Stereotype und Antijudaismen. Entsprechend brauche es eine intensivere Beforschung dieser Zusammenhänge, um die Erkenntnisse auch in die Präventionsarbeit einfließen zu lassen.
Quelle: kathpress