Sobotka: "Jeder gute Christ ist auch ein Politiker"
Politisches Engagement und christliche Überzeugung sind kein Widerspruch, sondern haben vielmehr im Einsatz für die Gemeinschaft und im Arbeiten für andere einen gemeinsamen Kern. Das hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bei einem Podiumsgespräch mit dem Moraltheologen Prof. Matthias Beck zum Thema "Christentum und Politik" am Montagabend in Wien betont. "Jeder gute Christ ist auch ein Politiker", folgerte Sobotka aus der christlichen Haltung, für andere da zu sein und Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, und er bekannte: "Dafür bin ich in die Politik gegangen."
Im Blick auf die Katholische Kirche ortete Sobotka in der Zweiten Republik das bewusste Bemühen um eine Aussöhnung mit der Sozialdemokratie. Dafür stehe das Schlagwort der "Äquidistanz", wodurch auch historische Spannungen zwischen ehemals konkurrierenden Lagern abgebaut werden konnten. Dies dürfe jedoch nicht zur "falschen Haltung" führen, sich als Kirche ganz aus gesellschaftspolitischen Themen herauszunehmen, "nur um nicht anzuecken". "Ich würde mir von der Kirche mehr Klarheit bei gesellschaftlichen und spirituellen Themen wünschen", so Sobotka, der einen kirchlichen "Rückzug" bei Fragen rund um den Schutz des Lebens am Anfang und am Ende - Stichwort Abtreibung und Suizidbeihilfe - oder im Blick auf Ehe und Familie bedauerte.
Gleichzeitig würdigte der Präsident des Hohen Hauses das Engagement der Kirche und der Christen in zahlreichen anderen politischen Bereichen. Besonders deutlich sei dies in den Themenfeldern Bildung und Kultur, im Sozialbereich - nicht zuletzt durch die zahlreichen karitativen Einrichtungen. Groß sei auch der politische Einsatz für Frieden und für die Umwelt. "Die Kirche soll sich nicht parteipolitisch instrumentalisieren lassen. Es braucht daher die kirchliche Distanz zum Parteienstaat, aber nicht zu den Themen der Gesellschaft", so Sobotka.
Insgesamt könne er, Sobotka, bei keiner im Parlament vertretenen Partei eine antichristliche Einstellung orten. Vielmehr sei es in den letzten Jahren auch im Parlament gelungen, quer über die Parteien und Bekenntnisse hinweg den Wert von Religion und Spiritualität auch persönlich zu zeigen. Besonders deutlich werde das beim "Parlamentarischen Gebetsfrühstück", das seit einigen Jahren ausgehend von anderen Ländern nun auch in Österreich stattfinde.
Beck für aufgeklärtes Christentum
"Ein aufgeklärtes Christentum hat eine hohe Problemlösungskapazität in gesellschaftlichen Fragen." Davon zeigte sich Prof. Beck im Gespräch mit dem Nationalratspräsidenten überzeugt. Diese könne aber nur eingelöst werden, wenn die Kirche die Menschen nicht von oben herab entmündigt. "Das Christentum ist vernünftig, weil es eine Logos-Religion ist", betonte Beck, der als Theologe, Mediziner und Pharmazeut u.a. Mitglied der vatikanischen Akademie des Lebens und der Bioethikkommission im Bundeskanzleramt ist.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar", - diese juristische Formulierung aus dem Deutschen Grundgesetz sei inhaltlich deckungsgleich mit dem christlichen Menschenbild, weshalb das Christentum für die Politik relevant bleibe, so Beck. Im Christentum gehe es immer um den je einzelnen Menschen in seiner Verantwortung für sich und die anderen. "Viele sind nicht gemeinschaftsfähig, weil sie es nicht mit sich selbst aushalten", so Beck. Von daher müsse die Kirche dabei helfen, dass Menschen ihren Sinn im Leben und ihre Berufung finden. Das erst mache Menschen auch in Krisen, wie zuletzt in der Pandemie, in geistiger Weise resilient.
Stichwort Berufung: "Es gibt auch eine Berufung zur Politik und Hildegard Burjan ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür", so Beck unter Bezugnahme auf die Österreicherin und weltweit erste demokratisch gewählte Politikerin, die seliggesprochen wurde. Ihr kirchlicher Gedenktag war am Sonntag.
Quelle: kathpress