EU-Asylrecht: Hilfsorganisationen gegen Verschärfungen
Nach der Verständigung der 27 EU-Innenminister auf eine Verschärfung der Asylregeln für Migranten ohne Bleibeperspektive kritisieren Caritas und Diakonie die Pläne. Vorarlbergs Caritasdirektor Walter Schmolly nannte die geplante Verschärfung wörtlich "inakzeptabel". So würde das geplante EU-Asylrecht "das Problem und die humanitäre Aufgabe Europas nicht lösen!", mahnte Schmolly in einer Aussendung am Freitag. Kritik übte er am Plan, ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser warnte etwa vor "gefängnisartigen Lagern an Außengrenzen."
Das künftige Asylrecht ermögliche keine "sachliche, gerechte und menschliche Lösung", so Schmolly. Das Problem der Migration nach Europa lasse sich darüber hinaus nicht an der europäischen Außengrenze lösen. Konkret nannte der Caritasdirektor die negativen Folgen des Klimawandels, als die am stärksten zunehmende Fluchtursache. Die Ursachen des Klimawandels würden aber nicht in Afrika liegen, sondern in weit höherem Maße in Europa. Europa würde also nicht nur "gegen Anstand und Gerechtigkeit" verstoßen, indem es die Folgen des Klimawandels zu wenig bekämpfe, sondern die Migration verstärken, "die sie dann an der europäischen Außengrenze bekämpfen wollen".
Aufnahmeprogramme anstatt Schlepper
Schmolly kritisierte zudem das Fehlen sicherer Fluchtwege im neuen Asylrecht. So hätten es die EU-Minister verabsäumt, Fluchtwege für jene Menschen einzurichten, die in ihrem Herkunftsland Verfolgung ausgesetzt seien. "An solchen humanitären Aufnahmeprogrammen hat sich phasenweise unter der türkis-blauen Bundesregierung auch Österreich beteiligt. Zwischenzeitlich werden die Verfolgten wieder ausschließlich auf lebensgefährliche Fluchtwege mit Schleppern gezwungen", führte der Caritasdirektor aus.
Diese Weigerung, jenen Schutz und Aufnahme zu gewähren, "die es fraglos brauchen, rückt die geplante Verschärfung des Asylrechtes von vornherein in ein schlechtes Licht und verunmöglicht auch sachlich gute Lösungen", so Schmolly.
Kinderrechte im Blick
Kritik richtete Schmolly auch an den haftähnlichen Bedingungen für Familien mit Kindern am "Kontinent der Menschen- und Kinderrechte". Die Taktik der EU-Minister, "auf die abschreckende Wirkung der grausigen Bilder, die aus diesen Lagern in die Welt hinaus gehen" zu setzen, nannte er "nicht nur menschlich verwerflich", sie würden folglich" auch die Kultur der Menschlichkeit innerhalb von Europa schwächen". Der Vorarlberger Caritasdirektor forderte daher das Europäische Parlament auf, den Vorschlag der Innenminister auf, die humanitäre Aufgabe Europas kritisch zu überprüfen.
Diakonie befürchtet Aushöhlung des Rechts
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser warnte in einer Aussendung vor einer Aushöhlung von fairen Asylverfahren. So sei die Anerkennungsquote von Grenzverfahren fünfmal niedriger als jene regulärer Asylverfahren. Einen Durchbruch oder gar historischen Schritt - wie es am Donnerstag nach dem EU-Treffen in Luxemburg vielfach hieß - könne Moser im neuen EU-Asylrecht daher nicht erkennen.
"Diese Lösung erinnert stark an das Hotspot-Modell, das wir aus Griechenland kennen, und das schon einmal gescheitert ist", meinte Moser. Als Negativbeispiel nannte sie etwa, dass die Schnellverfahren gar nicht oder nicht annähernd in der Zeit durchgeführt worden seien, wie angekündigt. Weiters hätten die anderen EU-Länder trotz Beschluss keine Menschen aus den Hotspots aufgenommen; und das ohne Sanktionen. Auch die Möglichkeit der "legalen Rückführung" von Geflüchteten aus den Hotspots sei nicht möglich gewesen, da Gerichte die Herkunftsländer "als nicht sicher eingestuft haben oder weil diese Länder die Menschen nicht zurücknehmen".
Das Hauptproblem besteht laut Moser, dass sich die EU-Staaten nicht an ihre eigenen Regeln, "nach denen für jede Person ein individuelles Asylverfahren durchgeführt werden soll", halten. "Stattdessen werden illegale Pushbacks immer mehr. Es steht zu befürchten, dass sich diese nicht hinnehmbare Situation weiter verschärft."
Wie Schmolly, so kritisierte auch die Diakonie-Direktorin die haftähnlichen Bedingungen von Kindern und Jugendlichen. Speziell Familien mit Kindern und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge müssten von den Schnellverfahren unter haftähnlichen Bedingungen ausgenommen werden. Die evangelische Hilfsorganisation schlug etwa die Einrichtung humanitärer Korridore, um sichere Fluchtmöglichkeiten zu schaffen, vor.
Deutschlands Kirchen und Verbände kritisieren EU-Einigung
Nach der Einigung der EU-Innenminister auf ein verschärftes Asylrecht gibt es viel Kritik - auch von Kirchen und kirchlichen Verbänden in Deutschland. Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße warnte etwa vor Rückschritten beim Flüchtlingsschutz. Schutzsuchende Menschen - darunter auch Familien mit Kindern - in haftähnlichen Zentren unterzubringen, dürfe nicht der Weg Europas sein, so der Hamburger Erzbischof. Mit Blick auf die Erfahrungen in den Hotspots in Griechenland und Italien seien große Lager zu befürchten, in denen rechtsstaatliche Prinzipien unterwandert würden und unzumutbare Lebensbedingungen herrschten. Der Schutz von Kindern und anderen schutzbedürftigen Personen könne hier de facto nicht gewährleistet werden.
Auch der evangelische Flüchtlingsbischof Christian Stäblein kritisierte den Asylkompromiss. Auf Twitter schrieb er: "Man lässt keine Kinder und Familien vor den Toren stehen - punkt." Das EU-Parlament müsse nun "im Namen der Menschenwürde" den Mut zu einer menschlicheren Flüchtlingspolitik zeigen und den Schutz der Hilfebedürftigen stärken.
Der Deutsche Caritasverband bezeichnete es via "Twitter" "skandalös", dass Deutschland Ausnahmen für Familien mit Kindern nicht durchsetzen konnte. Es sei extrem bitter, wie nun Menschenrechte ausgehöhlt würden. Auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst sprach von einem schweren Rückschlag für den Schutz der Menschenrechte in Europa. Man habe sich auf Abwehr und Abschreckung geeinigt und dabei die eigentlichen Probleme ungelöst gelassen, erklärte der stellvertretende Direktor für Deutschland, Stefan Keßler.
Die von der Italienischen Bischofskonferenz herausgegebene Tageszeitung "L'Avvenire" sprach in einem Kommentar von einer weiteren vertanen Chance der EU. Es fehle nach wie vor eine gemeinsame Grundüberzeugung beim Thema Migration. Vor allem die Visegrad-Länder hätten durch ihren Druck dafür gesorgt, dass weiter die Kontrolle der Außengrenzen im Zentrum stehe und nicht die Themen Schutz und Integration für die Migranten.
Die EU-Innenminister einigten sich am Donnerstagabend in Luxemburg nach jahrelangem Streit auf eine gemeinsame Position zur Verschärfung des europäischen Asylrechts. Im Mittelpunkt steht dabei die Einführung von Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen, um illegale Migration einzudämmen. Das EU-Parlament muss über die Einigung noch beraten und abstimmen.
Quelle: kathpress