Eine Reflexion auf Olivier Messiaen
Klingende Auferstehungshoffnung
Eine Reflexion auf Olivier Messiaen
Klingende Auferstehungshoffnung
In den Kompositionen des "katholischen Bach" Olivier Messiaen (1908-1992) durchdringen sich in einzigartiger Weise Musik und Theologie. Deutlich wurde dies bei einem von der Katholisch-theologischen Fakultät Wien veranstalteten Symposion an der Uni Wien und einem Konzert in der Augustinerkirche, bei denen der Orgelyzklus "Les corps glorieux" aus dem Jahr 1939 im Mittelpunkt stand. Musikalisch interpretiert wurde der Zyklus mit "sieben kurzen Visionen über das Leben des Auferstandenen" (so der Untertitel der Komposition) vom Saarbrückener Organisten und Musikwissenschaftler Jörg Abbing.
Die Theologin Dorothee Bauer mit einer Reflexion auf das außergewöhnliche Schaffen Messiaens und dessen Bedeutung für die Theologie:
"Das Leben der Auferstandenen ist frei, rein, leichtend, farbig. Die Klangfarben der Orgel spiegeln diese Charaktere wieder." So schreibt Messiaen in seinem einführenden Kommentar zu "Les corps glorieux", dem er Zitate aus der Heiligen Schrift und der Liturgie voranstellt. Unverkennbar ist die Prägung durch Thomas von Aquin, dessen Ausführungen über die verklärten Leiber im Hintergrund des Werkes steht. Mit Thomas von Aquin sucht Messiaen die Identität des irdischen Leibes mit dem Auferstehungsleib zu wahren, der zugleich verklärt und vervollkommnet wird.
Klangsinnlich vergegenwärtigt Messiaen die Eigenschaften der verklärten Leiber, wie sie Thomas in seiner Summa theologiae darlegt: Die Geistigkeit bzw. Feinheit: Die Leiber der Auferstandenen sind nicht mehr den irdischen Bedürfnissen wie Schlaf und Hunger verhaftet, sie sind vergeistigt und vollkommen rein. Ihre Kraft und Behendigkeit: Sie können Hindernisse durchdringen und sich im Nu, blitzschnell, im Raum fortbewegen. Ihre Herrlichkeit und Leuchtkraft: Sie sind durch und durch leuchtend, Ursprung ihres eigenen Lichts.
Von den Märchen zum katholischen Glauben – so lässt sich eine Facette von Messiaens Religiosität bezeichnen.
Dies sind mithin Fähigkeiten, von denen Messiaen schon als Kind in seiner Begeisterung für Märchen, Poesie, die Werke Shakespeares fasziniert war: "Die Feen, Gespenster und Hexen Shakespeares erstaunten mich auch nicht. Genauso später: um das Wesen der 'verklärten Leiber' zu verstehen, ihre Schwerelosigkeit, Beweglichkeit,… brauchte ich nur aus der Vorstellung in die Wirklichkeit hinüberzugehen." Von den Märchen zum katholischen Glauben – so lässt sich eine Facette von Messiaens Religiosität bezeichnen.
Dabei mangelte es Messiaen auch nicht an Ironie: Als er während des Messiaen-Festes in Düsseldorf immer wieder mühsam die steile Treppe zur Orgelempore emporstieg, gestand er seiner Schülerin Almut Rößler augenzwinkernd: "Man müsste ein Corps glorieux sein".
Dass das Leben der Auferstandenen seine "Ursache und Vorbild" in der Auferstehung Christi hat, verdeutlicht Messiaen im Mittelsatz des Orgelzyklus', das als geistiges Zentrum des Werkes gelten kann. Klangstark wird die Passion Christi umgesetzt, gefolgt von einem "Liebesdialog" zweier Stimmen über einem sanften Klanghintergrund der Register "gambe" und "voix céleste", die das Leben des Auferstandenen in der göttlichen Ewigkeit darstellen. An Christus lässt sich ablesen, wie es dem Menschen dereinst ergehen wird. Das Paradies wird nicht als Verlängerung irdischer Erfahrungen, nicht als Projektion menschlicher Wünsche und Sehnsüchte, sondern als Begegnung mit dem Auferstandenen christologisch konturiert.
"Das Leben der Auferstandenen ist vor allem ein Leben der Betrachtung des Gebets … sie betrachten und verstehen endlich das größte Geheimnis unseres Glaubens, den dreieinigen Gott." Daher schließt der Zyklus mit einer sanften Meditation über das Geheimnis der Trinität: Vater, Sohn und Heiliger Geist werden sowohl in ihrer klanglichen Einheit als auch in der Distinktheit ihrer Stimmen dargestellt.
Das Leben der Auferstandenen ist vor allem ein Leben der Betrachtung des Gebets … sie betrachten und verstehen endlich das größte Geheimnis unseres Glaubens, den dreieinigen Gott.
In einer Zeit, in der angesichts des Grauens des Zweiten Weltkriegs und der Shoa manch ein Komponist an der Möglichkeit von Musik überhaupt zweifelte, entwirft Messiaen klangstarke und hoffnungsfrohe Jenseitsvisionen. Messiaen verschließt die Augen nicht vor dem Leiden. Sein besonderes Verdienst ist es jedoch, die Hoffnungs- und Trostbotschaft des christlichen Glaubens neu zu Gehör gebracht zu haben. Seine Werke künden von der Hoffnung über den Tod hinaus. Sie werfen einen Blick in die himmlische Herrlichkeit, lassen gewissermaßen voraustönend die göttliche Ewigkeit erfahrbar werden. Seine Musik sei, so Messiaen "ein Durchbruch in Richtung auf das Jenseits", "ein hervorragender 'Durchgang', ein hervorragendes 'Vorspiel' zum Unsagbaren und Unsichtbaren."
Über das Leben der Auferstandenen lässt sich letztlich nur unter dem Modus des eschatologischen Vorbehalts sprechen. Messiaen war sich dessen bewusst: "Ich habe das Übernatürliche, das Wunderbare des Glaubens zum Ausdruck bringen wollen. Ich sage nicht, dass es mir gelungen ist, denn es ist letztendlich unausdrückbar." Doch die Musik scheint in dieser Hinsicht mehr als die bildende Kunst zu vermögen. Die "immaterielle" Musik kann eine Ahnung von der Ewigkeit vermitteln, das Leben der Auferstanden klanglich konturieren. Die flüchtigen Klänge hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Dr. Dorothee Bauer ist Universitätsassistentin am Institut für Systematische Theologie / Dogmatik und Dogmengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.