Historiker: Parteien ohne Plan gegen Klimakrise sind unwählbar
Die Klimakatastrophe nimmt aus Sicht des Historikers und Philosophen Philipp Blom in der Politik nach wie vor eine viel zu geringe Rolle ein. Die Welt habe heute die entsprechende Forschung und Technologien, um die Folgen der Klimaerwärmung zu bewältigen. "Was wir noch nicht haben, ist der politische Wille, sie auch zu nutzen", sagte der Bestsellerautor am Freitag bei einer Veranstaltung im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" in Wien. Wähler müssten den Parteien abverlangen, dass diese eine Ahnung haben, wie sie gegen die Klimakatastrophe vorgehen wollen. "Wenn eine Partei, egal wo sie auf dem politischen Spektrum steht, da keinen Plan hat, ist sie nicht wählbar", sagte Blom in der Kirche St. Johann am Keplerplatz in Wien-Favoriten.
Der Gesprächsabend mit Moderator Hubert Arnim-Ellissen unter dem Titel "Die Welt aus den Angeln ..." setzte thematisch bei Bloms gleichnamigen 2017 veröffentlichten Buch an, in dem der Historiker die weitreichenden gesellschaftlichen Änderungen infolge der sogenannten "kleinen Eiszeit" - dem Klimawandel im 17. Jahrhundert - schildert. 2022 erschien zudem Bloms Besteller "Die Unterwerfung", in dem er sich ausgehend von Spruch "Macht euch die Erde untertan" aus der biblischen Schöpfungsgeschichte, der Genesis, kritisch mit der menschlichen Herrschaft über die Natur auseinandersetzt.
Die schonungslose Ausbeutung der Erde drohe dem Menschen zum Verhängnis zu werden, warnte Blom auch in der "Langen Nacht der Kirchen". Jede Minute werde etwa Regenwald in der Größe von 30 Fußballfeldern abgeholzt und am Grönländischen Eisschild schmelze eine Million Tonnen Eis ab, gab der Historiker einige Beispiele. "Wir haben uns in eine verzweifelte Lage gebracht, in der das System zu kippen droht." Dennoch würden seitens der Politik kaum realistische Angebote gesetzt, "wie die Klimakatastrophe bewältigt werden kann und wir eine stabile Gesellschaft bleiben können".
Die Gesellschaft müsse lernen, sich anzupassen, so Blom. "Und ja: Wir werden andere Gesellschaften werden", hielt er fest. "Gesellschaften, in denen nicht mehr so viel konsumiert wird, in denen Ökonomie anders betrieben werden muss, aber auch Gesellschaften, in denen wir auf unsere eigenen Gemeinschaften anders schauen und in denen wir begreifen, dass wir nicht über der Natur stehen." Schade der Mensch der Natur, schade er sich selbst, erinnerte Blom. "Wenn wir anfangen, uns als Teil der Natur zu begreifen, dann wird eine kulturelle Revolution stattfinden, die uns eine neue Perspektive auf die Welt gibt. Ich glaube, das ist die beste Hoffnung, die wir haben."
Hinsichtlich konkreter Maßnahmen gegen die weitere Klimaerwärmung äußerte sich Blom skeptisch über den in der öffentlichen Debatte besonders großen Fokus etwa auf das Thema Fliegen. Kerosin müsse besteuert und Flugzeuge mit anderen Treibstoffen betrieben werden; ebenso gelte es, die Möglichkeit zu Flugreisen nicht "frivol" zu nutzen. "Aber das sind nicht die großen Hebel, der Klimakrise zu begegnen. Die großen Hebel liegen daran, dass wir die sogenannte Corporate World an die Leine legen, dass wir anfangen, unsere Schwerindustrie zu entkarbonisieren und Wege finden, Landwirtschaft völlig anders zu betreiben."
Quelle: kathpress