Ökonom Marterbauer: Brauchen Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht
Wie sollen Gesellschaft, Politik und Kirche mit den wirtschaftlichen Herausforderungen der Zeit umgehen? Diese Frage stand am Freitag im Zentrum eines Podiumsgesprächs mit dem Ökonomen Markus Marterbauer im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" in der Wiener Deutschordenskirche. Statt ständiger "Angstmacherei" müsse die Politik den Menschen Sicherheit vermitteln, plädierte der Vizepräsident des Fiskalrats für eine "Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht".
Unter dem Titel "Wege aus der Ohnmacht" hatte die Deutschordenskirche einen Schwerpunkt auf die drängenden aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen - Medien, Wirtschaft, Klimakrise sowie wissenschaftlicher Fortschritt - gelegt. Dazu waren in der "Langen Nacht" auch der Rektor des Missionshaus St. Gabriel, Proponent des Klimavolksbegehrens und von "Religions for Future", P. Franz Helm, der Mediziner und Theologe Matthias Beck, sowie der Journalist und Autor Christian Schüller auf dem Podium.
Angesichts der aktuellen Teuerungskrise fühlten sich viele Menschen ohnmächtig, betonte Marterbauer. Jüngste Zahlen belegten, dass in Österreich 460.000 Menschen von Armut betroffen sind, darunter über 100.000 Kinder, "in einem der reichsten Länder der Welt", so der Ökonom. Ebenso sei manifeste Armut der größte Treiber von Angst, die Wirtschaftspolitik in Österreich fördere diese Angst, indem sie die Menschen das ständige Gefühl gebe, in Unsicherheit zu leben, kritisierte Marterbauer.
Um den Menschen Sicherheit zu vermitteln, seien wenige Maßnahmen notwendig, zeigte sich der Abteilungsleiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien überzeugt. So müsse an erster Stelle die manifeste Armut zum Verschwinden gebracht werden. Weiters brauche es massive Verbesserung der sozialen Leistungen, besonders in zentralen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Pflege und Wohnen. Zuletzt müsse sichergestellt werden, dass die Menschen einer Arbeit nachgehen, von der man auch leben kann. Jahrelang habe man das Phänomen der "working poor" immer auf den angelsächsischen Raum verwiesen, heute wisse man, dass es auch in Österreich Hunderttausende von ihnen gebe, so Marterbauer.
"Sicherheit besiegt die Angst", dies müsse als Leitmotiv des Sozialsystems gelten, so Marterbauer. "Nichts wäre einfacher, als das umzusetzen", das sei aber von der Politik nicht gewünscht. "1,5 Prozent des Reichtums der Milliardäre in Österreich würde ausreichen, um Armut zum Verschwinden zu bringen", rechnete der Ökonom vor. Aber, "die Gier nach Macht und Besitz kennt keine Grenzen", das habe auch Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Evangelii gaudium" formuliert.
Deswegen plädiere er neben sozialen Untergrenzen, auch für Obergrenzen im Vermögen beziehungsweise Erbschaftssteuern. Das würden mittlerweile auch viele wohlhabende Menschen so sehen, betonte der Ökonom auf die Bewegung "Tax me now" rund um die Aktivistin und Millionenerbin Marlene Engelhorn, die sich für eine Reform von Steuerpolitiken und Erbschaftsteuern einsetzt.
Die Maßnahmen, die die schwarz-grüne Bundesregierung gegen Teuerung gesetzt hat - in einem Umfang von über 40 Milliarden Euro - hält der Ökonom grundsätzlich für sinnvoll, da sie vor allem für von Armut betroffene Menschen "unverzichtbar" gewesen seien. Aber, so Marterbauer, "die Teuerungshilfen gingen an alle, also auch an solche, die das nicht nötig hätten", man hätte die Hilfen also durchaus gezielter ausschütten können, befand der Ökonom abschließend.
Quelle: kathpress