"Klimapater" Alt: Ökologische Wende erfordert Straßenblockaden
Sympathie für Klimaproteste in Form von Sitzblockaden und Ankleben auf Straßen ist bei einer "Lange Nacht der Kirchen"-Veranstaltung mit dem deutschen Sozialwissenschaftler und Jesuiten P. Jörg Alt in der Wiener Jesuitenkirche bekundet worden. Nicht nur vom Vortragenden selbst, der sich in seinen aufrüttelnden Ausführungen vom 18-jährigen oberösterreichischen Maturanten Jonas - einem der Katholischen Jungschar verbundenen Mitglied der "Letzten Generation" - unterstützen ließ, sondern auch vielstimmig vom Publikum. Tenor des Vortrages des für sein Engagement bereits zum "Straftäter" gewordenen Ordensmann und der Wortmeldungen danach: Es braucht drastische Maßnahmen, um den Turnaround zu einem nachhaltigen Lebensstil anzustoßen.
Für Alt und seinen jungen Co-Referenten zum Thema "Klimakatastrophe: Bocken und Blocken als letzte Chance?" ist die Faktenlage längst klar: Geht der CO-Ausstoß im bisherigen Ausmaß weiter, steuert die Welt auf eine Katastrophe zu, bereits jetzt sind irreversible Umweltschäden zu beklagen und die Politik verfehlt ihre selbst gesteckten Klimaschutzziele. Beteuerungen der Volksvertreter, wonach die Umweltpolitik auf einem guten Kurs sei und die ökologische Wende auch mithilfe neuer Technologien zu schaffen sei, stimmen laut dem Jesuiten und vielfachen Buchautor nicht. Ihm selbst seien erst vor wenigen Jahren die Augen geöffnet worden, dass die warnenden Stimmen der Wissenschaft noch untertrieben und ökologische "Kipppunkte" viel rascher erreicht werden als prognostiziert. "Die Zeit zum Handeln läuft aus", forderte Alt entschiedenes Gegensteuern.
Ihm sei klar geworden, dass einschlägige Vorträge zu halten und Texte zu verfassen nicht ausreicht. Als "Jesuit, der zum radikalen Klimaaktivisten wurde" - wie es etwa im Advent 2022 im "Spiegel" hieß - macht Jörg Alt seit Monaten Schlagzeilen. Er unterstützte die Straßenblockaden der "Letzten Generation" in Wort und Tat und riskierte dabei auch selbst Geld- und Gefängnisstrafen. Das Amtsgericht München verurteilte den Ordensmann am 16. Mai 2023 zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen; für Alt, der einem Armutsgelübde verpflichtet ist, wurde dabei nach eigenen Angaben ein Tagessatz in Höhe von einem Euro festgesetzt. Voraus war dem eine Straßenblockade vor dem bayerischen Justizministerium gegangen. Schon davor hatte sich Alt gemeinsam mit der "Letzten Generation" an ähnlichen Protestaktionen sowie an öffentlich angekündigtem Schwarzfahren in Nürnberg beteiligt. Dabei sei er ein "braves Mittelstandskind" gewesen und hätte nie gedacht, einmal straffällig zu werden, wie er sagte.
"Klimakleben" als legitimer Protest
Das "Klimakleben" auf Autostraßen mit Staus als Folge bezeichnete der Jesuit als notwendigen symbolischen Akt, sich der fahrlässigen Säumigkeit der Politik buchstäblich in den Weg zu stellen. Alt ließ zugleich seinem Ärger über einen bundesdeutschen Minister freien Lauf, der gesetzliche Auflagen zum Klimaschutz in seinem Zuständigkeitsbereich einfach ignoriert habe. Somit fühle sich die "Letzte Generation" zu Recht legitimiert, gewaltfreie Formen des Protests für eine lebenswerte Umwelt anzuwenden. Es gebe auch zahlreiche andere Formen des Widerstands, aber nur die Straßenblockaden hätten es neben Krieg und Inflation in die Schlagzeilen geschafft und öffentliche Aufmerksamkeit erlangt.
Der Ordensmann berief sich dabei auf Umfragen, wonach 70 Prozent der deutschen Bevölkerung Tempolimits im Straßenverkehr befürworten. Und andere Studien würden zeigen, dass sich die Menschen keine autogerechte, sondern eine menschengerechte Lebenswelt wünschen und persönliches Glück mit lauter Qualitäten verbinden, die man nicht für Geld bekommen kann. Alt berichtete auch vom deutschen Klimarat, bestehend aus einem repräsentativen Querschnitt der Bürger, die - wie auch in Österreich - weitreichende Maßnahmen gegen die voranschreitende Klimaerwärmung vorschlugen. Die dann allerdings von der Politik "totgelobt" und in Schubladen entsorgt worden seien.
Das Volk wäre nach Überzeugung der beiden Aktivisten viel deutlicher bereit zu einer Umkehr als die Politik. Maturant Jonas sprach davon, dass schon eine entschiedene kleine Minderheit für einen gesellschaftlichen "Kipppunkt" in Richtung Nachhaltigkeit sorgen könnte. Mit Jörg Alt rief der junge Mann zu verschiedenen Varianten des zivilen Widerstands auf - und seien es nur Überzeugungsversuche im privaten Umfeld oder Briefe an Abgeordnete und Medien. Die etwa 100 Zuhörenden im Arrupe-Saal der Wiener Jesuiten reagierten mit Dankesworten und viel Beifall.
Verfasser einer "Transformations-Trilogie"
Jörg Alt SJ verfasste in den vergangenen Jahren eine "Transformations-Trilogie":
Das Buch "Widerstand! Gegen eine Wirtschaft, die tötet" (2022) entstand im Dialog mit jungen AktivistInnen und im Kampf gegen das zerstörerische "Weiter-So und Mehr-Davon". Davor veröffentlichte er die Bände "Einfach Anfangen! Bausteine für eine gerechtere und nachhaltigere Welt" (2021) und "Handelt! Ein Appell an Christen und Kirchen, die Zukunft zu retten" (2020), allesamt erschienen im deutschen Vier-Türme-Verlag. (Link: www.joergalt.de)
Quelle: kathpress