KPH-Studie: Qualität der Bildung entscheidend für Chancenfairness
Ein klares Bekenntnis zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancenfairness in Österreichs Schulen fordern Bildungsexperten sowie die Kirchlich Pädagogische Hochschule (KPH) Wien/Krems. Als Vorbilder nannten sie Bildungseinrichtungen in den USA und London, wo es Absolventen von Schulen mit 80 Prozent sozial-benachteiligter Kinder, zu über 90 Prozent an Universität oder Fachhochschule schaffen. Nötig dafür sei vorrangig die konsequente Unterrichtsentwicklung und pädagogisches Leadership von Lehrkräften: So der Tenor bei einem Pressegespräch der KPH Wien/Krems in Kooperation mit "Teach for Austria" am Donnerstag in Wien.
"Radikale Verbesserung von Lernleistungen ist selbst in den aller widrigsten Umständen immer möglich", lautete etwa das Forschungsergebnis von Roland Bernhard, Studienleiter in Oxford und Wien sowie Professor für Schulentwicklung und Leadership an der KPH Wien/Krems. Er hat bei dem Forschungsprojekt "School Quality and Teacher Education" die Auswirkungen der Qualität des Unterrichts auf die Chancenfairness untersucht.
"Es darf in Österreich keine Ausrede mehr geben", mahnte Bernhard im Zuge der Studienpräsentation. "Schulen mit über 80 Prozent sozial benachteiligten Kindern, von denen der überwiegende Teil nicht Englisch als Muttersprache hat, haben sich innerhalb kurzer Zeit von sogenannten 'failing schools' zu den besten Schulen des Landes entwickelt", erklärte Bernhard das positive Beispiel von London. Weit über 90 Prozent der Absolventen gingen mittlerweile auf Universitäten. Das Beispiel der Schulen zeige vor, wie man benachteiligte Kinder aus der Armut holen und sie zu Leistungsträgern der Gesellschaft machen könne.
Gelungen sei dieser "London Effect" durch einen Fokus auf die Qualität des Unterrichts und durch pädagogisches Leadership von Schulleitungen. Nach dem Motto "Lernen von den Besten" stehen in den Schulen etwa die Klassenzimmer immer offen, Lehrkräfte besuchen einander und geben einander Feedback. Besonders erfolgreiche Lehrkräfte werden ausgewählt, vorzuzeigen, wie ihr Unterricht funktioniert.
"Lernen von den Besten"
Das Prinzip "Lernen von den Besten" ("Teach like a champion") stellte auch der US-amerikanische Schulmanager und Bestsellerautor Doug Lemov vor. So seien es die Haltungen und Techniken, die herausragende Lehrpersonen in ihrem Unterricht verwendeten, die entscheidend sind. "Es gibt kein Problem in einer Klasse, für das nicht ein Lehrer einer anderen Klasse schon eine Lösung gefunden hat", zeigte sich Lemov überzeugt.
So habe der Bildungswissenschafter über viele Jahre bei herausragenden Lehrkräften im Unterricht hospitiert, deren Lösungsansätze auf Video festgehalten und miteinander verglichen. "Daraus sind 63 ganz konkrete Techniken entstanden, mit denen jede Lehrkraft erfolgreich unterrichten kann", so Lemov zur Entwicklung seines Buches.
Lemovs Buch habe nicht nur als Grundlage für die Unterrichtsentwicklung London gedient, sondern nehme auch einen zentralen Stellenwert bei der Ausbildung bei "Teach for Austria", erklärte Sophie Blohberger, Lehrerin und "Teach for Austria"- Absolventin. Die Techniken seien simpel, müssten aber müssen aber immer wieder trainiert und reflektiert werden. "Dafür braucht es ein kompetentes Netzwerk hinter jeder Lehrkraft, das Austausch und Training ermöglicht", meinte Blohberger.
Die Mittelschulleiterin und Schulentwicklungsberaterin Judith Grafinger, betonte, dass an den Schulstandorten Rahmenbedingungen geschaffen und Ressourcen bereitgestellt werden müsste, um Lehrkräfte dabei zu unterstützen, lernwirksamen Unterricht ins Zentrum des Schulalltages zu rücken.
Um konsequente Unterrichtsentwicklung zu ermöglichen, müssten die Rahmenbedingungen an Schulen verbessert werden, forderte auch Studienleiter Bernhard. So seien Schulleitungen in Österreich zum größten Teil mit der Verwaltung ihres Standorts beschäftigt. "Es ist dringend notwendig, Schulleitungen zu entlasten, administrative Tätigkeiten abzugeben und eine mittlere Management-Ebene einzuführen." Dadurch entstehende Freiräume könnten dann die konsequente Unterrichtsentwicklung und pädagogisches Leadership ermöglichen, so Bernhard.
Damit Lehrpersonen ihre Visionen und pädagogisches Wissen auch optimal umsetzen könnten, müsse ein gesellschaftliches Umdenken einsetzen, hielt Bildungswissenschaftler Bernhard abschließend fest. Lehrende benötigten etwa mehr Anerkennung vonseiten der Gesellschaft und der Politik. Das würde auch dem aktuellen Lehrermangel etwas entgegensetzen und die Quote der Lehrkräfte, die nach wenigen Jahren den Beruf wieder verließen, nachhaltig senken, zeigte sich Bernhard überzeugt.
Quelle: kathpress