Diakonie: Bei Pflegereform fehlt "Blick aufs Ganze"
Die von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) am Mittwoch präsentierten Maßnahmen im Pflegebereich bezeichnet die evangelische Diakonie als "positives Zeichen". Von einer "Pflegereform Teil zwei" könne allerdings nicht gesprochen werden, betonte die Hilfsorganisation. Die Diakonie bewerte die Ankündigungen "lediglich als Ergänzungen zum Reformpaket 2022", sagte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser in einer ersten Reaktion: "Was fehlt, ist der Blick aufs Ganze, ein Herumdoktern an Einzelmaßnahmen ist zu wenig." Aktuell bestehe zudem "die Gefahr der Familiarisierung von Pflege", außerdem werde das Geld im aktuellen Pflegesystem ineffizient eingesetzt, und gehe an den Bedürfnissen der Menschen mit Pflegebedarf sowie der Pflegenden vorbei, mahnte Moser.
Erforderlich ist laut Diakonie weiterhin eine grundlegende Pflegereform und der Ausbau von bedarfsgerechten Pflegeangeboten. Minister Rauch hatte gemeinsam mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger u.a. die Anhebung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung von Pflegebedürftigen daheim angekündigt. Ab Herbst soll es um 160 Euro mehr geben - statt 640 Euro also 800 Euro, sofern zwei selbstständige Personenbetreuerinnen oder -betreuer zum Einsatz kommen. Werden die Betreuenden angestellt, gibt es statt 1.280 Euro dann 1.600 Euro.
Ebenso wurden Verbesserungen für Angehörige und Personal beschlossen. Mit dem von der Regierung als "zweiten Teil" der Pflegereform bezeichneten Paket gehe es vorwiegend darum, "strukturelle Verbesserungen für alle Pflegenden zustande zu bekommen", sagte Rauch im Anschluss an die Regierungssitzung.
Gefahr der Familiarisierung von Pflege
Zwar würden sich Betroffene über die finanzielle Förderung für die 24-Stunden-Betreuung sicher freuen, "mehr finanzielle Unterstützung ist im Einzelfall immer hilfreich", zeigte sich Moser überzeugt. Es gelte aber im Blick zu behalten, dass es sich dabei letztlich um ein "Nischenthema" handle. "Nur fünf Prozent der knapp 500.000 Pflegegeld-Bezieher:innen nehmen sie in Anspruch", erklärte Moser. Den "Pflege-daheim-Bonus" habe die Diakonie immer kritisch gesehen. "Er birgt die Gefahr der Familiarisierung von Pflege", mahnte Moser. Der Ausbau von Unterstützungsangeboten, die pflegende Angehörige entlasten würden, stehe offensichtlich nicht auf der Reformagenda.
System ist ineffizient
"In unserem Pflegesystem wird Geld nicht effizient eingesetzt, und es geht an den Bedürfnissen der Menschen mit Pflegebedarf vorbei", erneuerte Moser ihre Kritik an der Pflegereform. Die Pflege in Österreich kenne nur zwei Säulen: Pflegeheim oder mobile Pflege. Andere Angebote, um weiter zu Hause leben zu können, fehlten weitgehend. Moser: "Wir brauchen eine Pflegelandschaft, in der Menschen mit Pflegebedarf das Angebot bestimmen."
Dieses System führe auch dazu, dass die Pflegekräfte unzufrieden sind, zeigte sich Moser überzeugt: "Sie sehen, dass sie Menschen nicht so pflegen und betreuen können, wie es sich die Klient:innen wünschen. Und sie sind gezwungen, hinter ihren eigenen Ansprüchen an gute Pflege zurückzubleiben". Das frustriere auf Dauer und sei für Moser der "tiefere Grund", warum Pflegekräfte die Langzeitpflege verlassen.
Quelle: kathpress