Caritas: Teuerungsausgleich der Regierung reicht nicht aus
Das österreichische Sozialsystem schützt nicht ausreichend vor Armut, ansonsten müsste die Bundesregierung nicht ein Maßnahmenpaket für finanziell Schwächere präsentieren: Dieses Fazit hat Caritas-Präsident Michael Landau nach dem von Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) am Mittwoch präsentierten Teuerungsausgleich gezogen. Vom Maßnahmenpaket sollen besonders Familien mit Kindern profitieren: Bezieher von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage erhalten so bis Ende 2024 pro Kind 60 Euro zusätzlich. Die Caritas begrüßte die Unterstützung für Kinder und Familien, da die Situation für armutsbetroffene Menschen in Österreich aufgrund der Teuerungswelle immer dramatischer werde, forderte aber "ein armutsfestes Sozialnetz".
"Diese heute präsentierten Maßnahmen können also nicht alles sein", mahnte Landau. Trotz der Erhöhungen und Maßnahmen würden viele Menschen und Kinder in Österreich weiter unter der Armutsgefährdungsschwelle bleiben, da das Sozialnetz nicht mehr ausreichend vor Armut schütze. "Aus unserer Sicht ist es daher unerlässlich, an den grundsätzlich notwendigen Reformen der Sozial- und Versicherungsleistungen zu arbeiten."
Notwendig seien etwa die Reform der Sozialhilfe, die Anhebung von Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe sowie sie Erhöhung der Ausgleichszulage, um Mindestpensionisten zu entlasten. "Ziel muss es sein, dass wir uns in Österreich auf ein Sozialsystem verlassen können, das wirklich als letztes Auffangnetz für Menschen in Not taugt, und das ein selbstbestimmtes Leben für Frauen, Männer und Kinder ermöglicht", so Landau.
Positiv bewertete Landau, dass das von der Bundesregierung am Mittwoch vorgestellte Maßnahmenpaket Kinder in den Fokus stellt und Menschen mit besonders wenig Einkommen, zielgerichtet hilft. "Mehr Geld für rund 400.000 Kinder in armutsbetroffenen Haushalten hilft zielgerichtet da, wo es am allernötigsten ist", so der Caritas-Präsident wörtlich. Auch die Erhöhung der Schulstartaktion wertete die Hilfsorganisation positiv.
Die Maßnahmen könnten jedoch nur ein erster wichtiger Schritt für Kinder und Familien sein. "Denn wie sehr die tatsächlichen Kosten für Kinder aktuell und die Familien- und Sozialleistungen auseinanderklaffen, wissen wir aus der Kinderkostenstudie", ergänzte der Wiener Caritasdirektor Klaus Schwertner.
Kinderarmut in Österreich
"Armut für Kinder bedeutet weniger Chancen, weniger Teilhabe und eine höhere Wahrscheinlichkeit, als Erwachsene selbst auch armutsbetroffen zu sein", klärte Schwertner auf. Sichtbar werde dies u.a. in den Caritas-Einrichtungen und aktuellen Statistik-Daten. So würden armutsbetroffene Kinder in unzureichend beheizten Wohnungen leben, litten oft unter Schimmel in den Wohnungen und unter fehlenden sozialen Kontakten, so Schwertner.
Caritas-Angebote in ganz Österreich, wie die über 50 Familienberatungsstellen und mehr als 70 Sozialberatungsstellen, unterstützen bereits armutsbetroffene Familien mit Kindern, oder Kinder direkt. Weiters bietet die Caritas Lerncafes, Mutter-Kind-Häuser mit Wohnplätzen, Mädchenzentren u.v.m.
Diakonie für grundlegende Reform der Sozialhilfe
Das evangelische Hilfswerk Diakonie bezeichnete das von der Regierung am Mittwoch vorgestellte Maßnahmenpaket als erste Initiative zur Linderung der schlimmsten Teuerungsfolgen bei Kindern. Das Paket dürfe aber nur der "erste Schritt zu einem Gesamtpaket gegen Kinderarmut in Österreich sein", forderte der Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk in einer Aussendung. Die Unterstützungen für armutsbetroffene Kinder würden bei den aktuellen Teuerungen helfen, "auch wenn sie eine grundlegende Reform der schlechten Sozialhilfe und eine Verbesserung der Arbeitslosenversicherung nicht ersetzen". Positiv wertete Schenk, dass die Maßnahmen regelmäßig und automatisiert kommen würden, sowie sozialstaatlich eingebettet seien: "Das ist immer der bessere Ansatz."
Als nächste Schritte forderte Schenk die Bekämpfung der sozialen Benachteiligung von Kindern, wie die Therapielücke bei psychischen Problemen und Entwicklungsbeeinträchtigungen zu schließen oder Präventionsketten für Kinder einzuführen. Außerdem brauche es eine warme Mahlzeit in der Schule und eine Reform des "untersten sozialen Netzes", damit Existenzsicherung, Chancen und Teilhabe für jedes Kind gesichert seien.
Den Vorschlag der Präventionsketten gegen Kinderarmut argumentierte Schenk damit, dass es darum gehen Unterstützungsnetze zu mobilisieren, die sozialstaatlich, institutionell, in der Gemeinde und der Community zu finden seien. Erstes Glied in der Kette seien etwa die frühen Hilfen für Eltern und Babys. Auch Jugendliche benötigten Unterstützung, etwa in Form von kassenfinanzierten Therapiestellen oder zusätzliche psychosoziale Notdienste. Ein Teil der Kinder und Jugendlichen würde aktuell massiv unter Druck stehen, erklärte Schenk die Hintergründe. "Wir merken das am Krisentelefon, in den mobilen Therapien, Jugendnotschlafstellen oder Wohngemeinschaften."
Familienverband begrüßt Maßnahmen
Der Katholische Familienverband Österreichs (KFÖ) begrüßt das von der Bundesregierung am Mittwoch präsentierte Maßnahmenpaket für armutsgefährdete Familien. Als KFÖ befürworte man es, dass künftig 60 Euro pro Kind und Monat an armutsbetroffene Familien bezahlt werden sollen. "Das ist eine wichtige und notwendige Maßnahme, um armutsbetroffene Familien schnell zu entlasten. Besonders begrüßen wir, dass dafür kein extra Antrag gestellt werden muss", sagte Familienverbandspräsident Alfred Trendl in einer Aussendung zu dem von Sozialminister Rauch und Familienministerin Raab vorgestellten Paket.
Die geplante Regelung gilt für Bezieher von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage, die bis Ende 2024 pro Kind und Monat 60 Euro zusätzlich erhalten sollen. Dieselbe Leistung bekommen Alleinerziehende und Alleinverdiener, die Einkünfte unter 2.000 Euro brutto/Monat aufweisen sowie Sozialhilfebeziehende ohne Kinder.
Die genaue Gesetzwerdung bleibe abzuwarten, betonte KFÖ-Präsident Trendl. Der Familienverband wünscht sich jedenfalls eine Berücksichtigung des gewichteten Pro-Kopf-Einkommens von Familien, auch wenn dies zusätzlichen administrativen Aufwand bedeutet. Werde das Pro-Kopf-Einkommen nicht berücksichtigt, zählten Mehrkindfamilien zu den "klaren Verlierern", so Trendl.
Positiv sind für den Familienverband die angekündigten Verbesserungen beim Schulstartpaket. Über dieses Projekt erhalten Eltern von Schulkindern, die Sozialhilfe beziehen, zweimal jährlich Gutscheine für Schulartikel. Dieser Betrag wird von 120 auf 150 Euro angehoben.
Quelle: kathpress