Theologen: Konzil weiterhin nicht vollständig umgesetzt
Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) ist nicht nur ein kirchenhistorisches Großereignis gewesen, sondern es harrt bis heute seiner vollständigen Umsetzung: Darin zeigten sich drei Theologinnen und Theologen einig, die am Dienstagabend in Korneuburg bei Wien über Visionen und Weichenstellungen des Konzils diskutierten. Auf der Haben-Seite sah die Theologin und frühere Wiener Pastoralamtsleiterin Veronika Prüller-Jagenteufel etwa ein "neues Selbstverständnis von Kirche in der Welt" und eine "positive Sicht der Kirche auf den Menschen als Wesen der Freiheit". Dazu zählte die Theologin auch die kirchliche Offenheit für kulturelle und religiöse Pluralität sowie eine zumindest partielle "Überwindung des Dualismus zwischen Klerus und Laien".
Auf offene, nicht eingelöste Punkte wie die Frauenfrage, eine innerkirchliche Gewaltenteilung, die Fortführung der Ökumene in Richtung eucharistischer Gastfreundschaft und die immer noch ausstehende kirchliche Anerkennung der Menschenrechte verwies indes der Theologe und Konzils-Experte, P. Andreas Batlogg. Auch "das" große Projekt von Papst Franziskus - der Synodale Prozess - könne als ein "Erbe des Konzils" verstanden werden; gleichwohl zeigte sich Batlogg skeptisch, inwieweit die Kirche Synodalität bereits verinnerlicht habe. "Nur weil wir synodale Versammlungen abhalten, sind wir noch keine synodale Kirche", verwies er auf eine ähnlich lautende Formulierung in der österreichischen Synthese zum Synodalen Prozess.
Insgesamt müsse das Konzil als ein "Laboratorium kollektiver Wahrheitsfindung" verstanden werden. Diese Offenheit der Wahrheitssuche - ein "fortlaufendes Aggiornamento" - brauche es auch heute in der Kirche. Der Synodale Prozess ziele auf diese Dynamik ab, stecke aber im Blick auf die vielen Krisen und den Vertrauensverlust in der Kirche letztlich noch in den Kinderschuhen. "Der Synodale Prozess könnte zu einer solchen positiven Erfahrung einer gemeinsamen Wahrheitssuche beitragen." Damit dies gelinge, brauche es den Mut zu "regionalen Lösungen", so Batloggs Fazit.
Bekräftigt wurde Batlogg in seiner Skepsis auch vom Erzabt von St. Peter in Salzburg, Korbinian Birnbacher. Der Vorsitzende der Österreichischen Ordenskonferenz meinte zur noch immer ungelösten Frage der an die Weihe gekoppelten Leitungsverantwortung und "Macht" in der Kirche: Solange hier kein neues Bewusstsein im Miteinander von Laien und Priestern bzw. Bischöfen entstehe, bleibe Synodalität ein Fernziel. Skeptisch zeigte sich der Erzabt auch gegenüber den immer wieder medial lancierten Gegenüberstellungen zwischen einer Bischofs- und einer Ordenskirche. Auch in Orden gehe es oftmals nicht sonderlich demokratisch zu; hier ein Idealbild zu stilisieren und gegen eine bischöflich verfasste Kirche auszuspielen, sei verfehlt.
Österreich fehlt der Mut
Einig zeigten sich die drei Theologinnen und Theologen darin, dass der von der katholischen Kirche in Deutschland gewählte "Synodale Weg" ein mutiger und weitaus tieferer und fundierterer Reformweg sei, als manche Kritik auch seitens österreichischer Bischöfe und Theologen suggerierten. Die Dokumente seien theologisch "tiefschürfend und bilden den Stand der Theologie ab", betonte Prüller-Jagenteufel. In Österreich habe dazu offenkundig der Mut und der Wille gefehlt, "sich in offene Diskussionen zu begeben und auch Streit zu riskieren".
Mit einem klaren "Nein" antworteten Prüller-Jagenteufel und Batlogg auf die Frage, ob es heute ein weiteres Konzil benötige. Die Zeit sei noch nicht reif dafür, zu viele Dinge seien noch unerledigt, so Batlogg. Offener zeigte sich indes Erzabt Birnbacher: "Es ist höchste Zeit für ein neues Konzil". Die Kirche befinde sich in einer ähnlich dramatischen Situation wie zu jener Zeit, als im Urchristentum die Apostel das "Apostelkonzil" einberiefen, um wichtige Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
Das Podiumsgespräch stand unter dem Titel "60 Jahre später - Was blieb übrig?" und steht im Kontext einer Reihe von drei Diskussionsveranstaltungen in der Pfarre Korneuburg aus Anlass des 60. Jahrestages der Eröffnung des Konzils. Den Abschluss bildet eine Veranstaltung am 14. Juni unter dem Titel "Das Konzil - die heißen Eisen? Visionen für eine lebendige Kirche" mit Prof. Hans Pock, Sr. Beatrix Mayrhofer und der "Furche"-Chefredakteurin Doris Helmberger-Fleckl.
Quelle: kathpress