Wissenschaftler fordern besseren Umgang mit Klimaaktivisten
Mehr als 1.400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem gesamten deutschsprachigen Raum plädieren für einen besseren Umgang mit Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten. In einer Erklärung unter dem Titel "Handeln statt Kriminalisieren" fordern sie Politik, Medien und Gesellschaft zu einer "angemessenen Akzentsetzung" auf und mahnen eine "notwendige Versachlichung der Debatte" ein. Anlass sei die Zunahme von Hassrede, Aggression und körperliche Gewalt gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, sagte die Münchner Medienethikerin und Initiatorin Claudia Paganini bei einem Online-Mediengespräch am Freitag.
Wissenschaft habe den Auftrag, die eigene sachorientierte Expertise in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, betonte Paganini. Das bedeute, Verantwortung für die Lebensmöglichkeiten zukünftiger Generationen zu übernehmen, die durch den menschengemachten Klimawandel massiv bedroht sind. Bei Aktionen wie Sitzblockaden auf Straßen, oder dem Bespritzen von Kunstwerken mit Farbe handle es sich um friedlichen Protest, es sei "Aufgabe der Gesellschaft, die Aktivisten dabei zu schützen".
Auch Medien hätten eine wichtige Aufgabe, indem sie etwa Dekontextualisierung zurechtrückten. Differenzierte Medienberichterstattung könnte einen sehr großen Beitrag zu Debatte leisten, zeigte sich die Medienethikerin überzeugt. Dass Aktivistinnen und Aktivisten vonseiten der Politik und Medien etwa mit Terroristen, oder Extremisten gleichgesetzt würden, sei gefährlich, weil es Beschimpfungen und körperliche Angriffe ein Stück weit legitimiere.
Unter den zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützern, ca. 500 davon kommen aus Österreich, befinden sich auch viele Theologen. Der Dekan der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, Wilhelm Guggenberger, betonte die sozialethische Verantwortung der Religionsgemeinschaften beim Klimaschutz. "In der Kirche, wie auch gesamtgesellschaftlich, ist zu wenig Engagement im Klimaschutz vorhanden", sagte der Theologe. In den Kirchen gebe es aber Impulse und Ressourcen, aus der eigenen Tradition heraus aktiv zu werden. Hier gelte es auch ein Stück weit das Klischee, der angepassten Kirche "zurechtzurücken", so Guggenberger.
Ankleben nicht unverhältnismäßig
Für den Berliner Theologen und Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl ist das Ankleben keinesfalls unverhältnismäßig. Das Blockieren von Straßen sei als Protestform auch keinesfalls neu, oder eine Erfindung der Klimaaktivisten. So handle es sich letztlich um eine Form des zivilen Ungehorsams, der ein "Lebenselixier einer liberalen Demokratie" sei. Es könne sachlich über den Sinn der Protestform gestritten werden, so der Theologe, aber Verunglimpfen und Beschimpfungen von Aktivisten und Aktivistinnen sei klar zu verurteilen.
Der deutsche Ökonom Johann Graf Lambsdorff wies auf die volkswirtschaftliche Dimension von klimaschädlichen Maßnahmen durch die Politik, etwa Subventionen für Kraftstoffe oder das Nicht-Beschließen von Tempobeschränkung, hin. Er bezeichnete es als Skandal, dass Steuergelder für derlei Maßnahmen auf Kosten der nachfolgenden Generationen verschwendet würden.
Der Petition, die seit Wochenbeginn in Fachkreisen kursierte, hätten sich sehr rasch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeschlossen, berichtete Paganini. Zu Recht stemmten sich immer mehr Menschen gegen das verantwortungslose "Weiter-So", das sich häufig hinter der Fassade wohlfeiler Klimaschutzabsichten verberge, so der Tenor der Wissenschaftler.
Die Protestformen seien mannigfaltig. Solche, die an die Grenze dessen, was für die Bevölkerung in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat erträglich erscheine, gingen, seien letztlich Ausdruck eines letzten Mittels, um die zuständigen politischen Akteure wie die Gesellschaft insgesamt zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu bewegen, so die Initiatoren. (Infos: https://handeln-statt-kriminalisieren.com)
Quelle: kathpress