Theologen: Kirche und Gläubige heute in "Karsamstags-Existenz"
Auf die Aktualität des symbolisch wie theologisch immer wieder "unterschätzten" Karsamstags haben österreichische Theologinnen und Theologen in einer neuen Folge des Podcasts "Diesseits von Eden" hingewiesen. Der Tag der Grabesruhe markiert in der vorösterlichen Zeit jene Zeitspanne zwischen dem Tod Jesu (Karfreitag) und der Feier seiner Auferstehung (Ostersonntag). "Wir können unsere derzeitige Situation sowohl in der Kirche als auch in der Welt durchaus bezeichnen als eine Art Karsamstags-Existenz, als eine liminale Phase, wo so vieles im Chaos liegt und nur noch die Hoffnung trägt, dass daraus neues Leben möglich wird", betont darin die Innsbrucker Theologin Prof. Michaela Quast-Neulinger.
Der Wiener Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück sieht im Karsamstag jenen "theologischen Ort, der die Erfahrung des vermissten Gottes, auch die Sprachlosigkeit zur Sprache zu bringen hilft". Die christlich-österliche Freude sei erst dann keine "billige Freude, keine schlechte Harmonisierung", wenn sie die Tiefe der Gottverlassenheit Jesu und also den Karsamstag wirklich ernst nehme und somit "durch den Abgrund des Leidens hindurchgegangen" ist, so Tück.
Der Grazer Neutestamentler Prof. Christoph Heil regte in dem Zusammenhang an, dass ein Karfreitag als Feiertag für alle ein guter Weg wäre, um die "Anstößigkeit des Kreuzes" in seiner ganzen Breite neu bewusst zu machen. Rechtfertigen lasse sich ein solcher Feiertag für alle auch dadurch, dass das Kreuz schließlich ein kulturell vielschichtiges "Aufmerksamkeits-Signal für Leiden" schlechthin sei, sprich: Es lenkt die Aufmerksamkeit auf jene, die unschuldig Leiden, und fordere Solidarität mit ihnen ein. Jede Form von Triumphalismus im Blick auf das Kreuz sei jedenfalls abzulehnen. Das entspreche auch nicht dem biblischen Zeugnis, so Heil.
Die neue Folge des gemeinsamen Podcasts der theologischen Fakultäten in Österreich steht unter dem Titel "Ärgernis oder Heilszeichen? Das Kreuz mit dem Kreuz". Ausgehend von persönlichen Zugängen zum Kreuz in der je eigenen Glaubensbiografie betonten Tück, Heil und Quast-Neulinger darin unisono, dass das Kreuz ein wichtiges Symbol nicht nur für Christen sei, sondern es auch religiös unmusikalischen Menschen etwas sagen könne. Wichtig sei dabei, "den beiden Versuchungen" zu widerstehen, und das Kreuz eben weder als "militärisches Siegeszeichen" noch als ein "bloßes Ärgernis und eine Provokation" misszuverstehen. Beides gleiche einer "Perversion" des Kreuzes, unterstrich Quast-Neulinger.
"Das Kreuz ist ein Detektor für unschuldiges Leiden und zeigt auf, was wir alle nicht sehen wollen", so Tück, der zuletzt unter dem Titel "Crux" ein Buch mit Essays über das Kreuz publiziert hat. Insofern brauche es so etwas wie eine Erneuerung der christlichen Kreuzestheologie, um die Bedeutung des Kreuzes im Bewusstsein nicht nur der Gläubigen, sondern der Gesellschaft insgesamt zu bewahren, so die Theologen.
Die Podcast-Folge kann unter https://diesseits.theopodcast.at/aergernis-oder-heilszeichen-das-kreuz-mit-dem-kreuz nachgehört werden. Der Podcast der theologischen Fakultäten in Österreich und Südtirol, "Diesseits von Eden. Gespräche über Gott und die Welt", ist unter https://diesseits.theopodcast.at abrufbar sowie über alle gängigen Podcast-Kanäle kostenlos abonnierbar.
Quelle: Kathpress