"Christen in Not": Regime in Nicaragua will Kirchen mundtot machen
Mit seinen Repressionen will das Regime in Nicaragua die römisch-katholische und evangelische Kirche bei ihrem Einsatz für Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz mundtot machen. Das hat Elmar Kuhn, Generalsekretär von "Christen in Not - Christen helfen in Not", in der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe) beklagt. Neben Amtsträgern der katholischen Kirche würden ebenso Pastoren der protestantischen Kirchen verfolgt und ermordet, berichtete der Lateinamerika-Kenner.
Der politischen Führung gehe es darum, "die Stimme der Gerechtigkeit zum Schweigen zu bringen." Daher seien die hohen Amtsträger die primären Ziele der Aggression, weil sie die größte Reichweite in der Bevölkerung haben. Ein prominentes Opfer der Repression durch Präsident Daniel Ortega ist Bischof Rolando Alvarez. Der Bischof von Matagalpa wurde im Februar im Schnellverfahren zu 26 Jahren Haft verurteilt, nachdem er sich geweigert hatte, das Land zu verlassen. Vielfache internationale Kritik an dem Vorgehen des Regimes war die Folge. Jüngst schloss die Regierung das Hilfswerk "Caritas" und zwei der Kirche nahestehende Universitäten. Mitte März hatte der Vatikan schließlich bekannt gegeben, dass die diplomatischen Beziehungen zu dem lateinamerikanischen Land aktuell suspendiert seien.
Mit der Verhaftung des Bischofs wolle die Regierung den friedlichen Protest des 56-Jährigen in Solidarität mit den Verfolgten und für die Bewahrung der Schöpfung getreu dem Vorbild von Papst Franziskus beenden, zeigte sich Kuhn überzeugt. Ihn erinnere das an die Schauprozesse und Mordanschläge Putins gegen missliebige Personen, wie etwa den Oppositionspolitiker Nawalny. "Kein Wunder also, dass Präsident Ortega auch ganz auf der Seite Russlands steht und gemeinsam mit Nordkorea den Überfall auf die Ukraine verteidigt". Im nationalen Fernsehen habe Ortega die Verurteilung von Bischof Alvarez mit den "absurden" Ansichten und "Terrorismus" des Bischofs begründet.
Wurzeln des Konflikts in 90er-Jahren
Die Wurzeln des Konflikts reichten bis in die 1990er-Jahre zurück, erklärte Kuhn. Damals war der katholische Priester Ernesto Cardenal als Kultusminister Teil der Revolutionsregierung. Deswegen wurde er 1985 vom Priesteramt suspendiert, 2019 wurde die Suspendierung aufgehoben."Chef der Regierung war damals Daniel Ortega, der heute als De-facto-Diktator Nicaragua regiert. 1994 verließ Cardenal die Regierung aufgrund des autoritären Führungsstils Ortegas. "Da liegen die Wurzeln des Hasses von Ortega auf die Priester und Bischöfe", betonte Kuhn. "Die Kirchen, also die katholische ebenso wie die kleinere protestantische Kirche, protestieren immer wieder gegen die Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Verhaftungen, Verfolgungen von Journalisten und Indigenen, Folterungen, Ermordungen. Präsident Ortega ist häufig direkt und persönlich verantwortlich für diese Menschenrechtsverletzungen."
Es gehe um Ausgrenzung und Mund-tot-Machen des tatsächlichen oder eingebildeten "Gegners", so Kuhn. Wer dem eigenen Machtstreben im Weg stehe, werde weggesperrt. Am besten lange, wie es bei Bischof Alvarez der Fall ist, der wäre nach Ende seiner Haft 82 Jahre alt. "Umso wichtiger sind auch unser Protest und unser Gebet für den Bischof und die Kirche in Nicaragua", so Kuhn.
Anwalt als Hoffnungsschimmer für Bischof
Einen kleinen Hoffnungsschimmer für das Schicksal des inhaftierten Bischofs gibt derzeit ein mexikanischer Anwalt, der den Fall vor internationale Gerichte bringen will. Carlos Ramirez, Lateinamerika-Direktor der spanischen Juristenvereinigung "Abogados Cristianos", erklärte gegenüber dem von Exil-Nicaraguanern geführten Portal "La Prensa", er werde "alle Möglichkeiten ausschöpfen" für die Einreichung einer Klage, zunächst bei den noch funktionierenden nationalen Gerichten und dann bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), bei der UNO und beim Interamerikanischen Gerichtshof.
Über diplomatische Kanäle solle weiters Nicaragua aufgefordert werden, Informationen über den Gesundheitszustand des Bischofs - der an Diabetes leidet - und seinen genauen Aufenthaltsort öffentlich zu machen. Eine auf dem Portal abogadoscristianos.es veröffentlichte Petition an die OAS mit derzeit über 8.000 Unterschriften ruft zu einem Einschreiten auf. Es gelte, die "eklatante Verletzung der verfassungsmäßigen Garantien und Menschenrechte" aufzuzeigen, vor allem aber, das Leben und die Integrität von Bischof Alvarez zu retten, sagte Ramirez.
Wie der Jurist erklärte, weise das Gerichtsverfahren gegen Bischof Alvarez viele Unregelmäßigkeiten auf. Das Gesetz, auf dessen Grundlage er verurteilt worden sei, sei zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in Kraft und somit nicht auf ihn anwendbar gewesen. "Nach dem strengen Rechtsrahmen müssten sie also die damals verhängte Strafe aufheben und ihn freilassen, weil es kein Verbrechen gibt, das zuverlässig nachgewiesen werden kann", so der Anwalt. Auch seien die vorgeführten Augenzeugen nur "Ohrenzeugen" gewesen und zudem voreingenommen, womit das Urteil leicht anfechtbar sei. Ziel müsse damit sein, in Nicaragua die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen.
Quelle: kathpress