Küberl: Gesellschaft braucht gemeinsamen "Ethikbogen"
Das Zusammenleben in einem Staat braucht nicht nur einen rechtlichen "Verfassungsbogen", sondern auch einen gemeinsamen "Ethikbogen". Darauf hat der frühere langjährige Caritas-Präsident Franz Küberl unmittelbar vor Präsentation seines neuen Buches am Mittwoch in Wien im Interview mit Kathpress hingewiesen. Mit seinem Werk mit dem Titel "Zukunft muss nach Besserem schmecken" wolle er einen Beitrag zum nötigen Wertegerüst der Gesellschaft leisten. Es sei ein "sehr persönliches Buch auch über den Glauben, der sich vor allem auf dem Marktplatz der Gesellschaft bewähren muss". Im Blick auf die Kirche, in der er fest verankert sei, bedeute diese Maxime: "Die Kirche steht dann gut da, wenn viele Menschen ihren Glauben leben, das ist Volkskirche."
Positive Impulse verdanke die Kirche Papst Franziskus. Das nunmehr zehnjährige Pontifikat stehe für eine "offene Diskussionskultur". Franziskus habe "eine Urherzlichkeit in der Begegnung mit Menschen" und er gehe dorthin, "wo es wirklich brennt, an die Ränder des Lebens". Franziskus habe die Kirche "weltkirchlicher gemacht" und nicht zuletzt mit dem Synodalen Prozess vieles angestoßen. Angesichts der schon lange bekannten innerkirchlichen Reformanliegen sollte man freilich "vom Zuhören auch ins Entscheiden" kommen.
"Dabei müsste nicht alles auf einen Schlag für alle geändert werden", gab Küberl im Blick auf unterschiedliche Geschwindigkeiten und Problemlagen innerhalb der Weltkirche zu bedenken. Er nannte als Beispiel den Wunsch vieler bei der Amazonien-Synode 2019 nach der Zulassung von bewährten, verheirateten Männer ("viri probati") zur Priesterweihe. Die Grundfrage bei diesem wie bei anderen Themen laute: "Wie viel Subsidiarität lässt man zu bzw. ist notwendig in der Kirche?"
Die Caritas sieht Küberl insgesamt auf einem sehr guten Weg. Dies zeige sich auch in ihrer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz. "Die Caritas gehört allen", diese Einstellung sei bei vielen vorhanden - nicht zuletzt bei jenen, "wo die Caritas oft der letzte seidene Faden zur Kirche ist". Positiv bewertete der ehemalige steirische Caritas-Direktor, dass nicht nur in der Diözese Graz-Seckau, sondern auch in den Diözesen Innsbruck und Eisenstadt Frauen an der Spitzen der Caritas stehen. "Es tut vor allem der Diözese gut, wenn eine der maßgeblichen Leitungsfiguren eine Frau ist."
Nicht nur die Caritas oder die Kirche insgesamt lebe vom ehrenamtlichen Engagement von Frauen und Männer, auch eine demokratisch verfasste Gesellschaft und die Politik seien darauf angewiesen, betonte Küberl. Diese gesellschaftlichen Kräfte seien auch in der Pflicht, einen "gemeinsamen Ethikbogen für das Zusammenleben" aufrechtzuerhalten. Problematisch sei ein rein individualistisches Freiheitsverständnis, bei dem es nur um "Eigeninteressen" gehe. Diese Tendenz gebe es nicht nur bei Einzelpersonen, sondern auch bei politischen Parteien. Man müsse die Verantwortlichen daran erinnern, dass "Politik ein Handwerk im Dienste des Gemeinwohls" sei.
Es gehe darum, um die großen Fragen des Zusammenlebens zu ringen und immer wieder einen "sauberen Kompromiss" zu finden. "Politik darf nicht mieselsüchtig sein und sich nicht auf Überschriften beschränken." "Was ist uns gemeinsam, trotz bleibender Differenzen?": Diese Frage müsse leitend sein. Und das Bewusstsein, "dass es immer einen Handlungsspielraum gibt, den man nützen und gestalten soll", so seine Erfahrung nach 70 Lebensjahren und 22 davon in Leitungsverantwortung der Caritas.
Vielfältig engagiert
Der gebürtige Grazer ist wie kaum ein anderer auf Steiermark- und Bundesebene kirchlich engagiert. Nach Anfängen bei der Katholischen Arbeiterjugend der Diözese Graz-Seckau arbeitete Küberl bei der Katholischen Jugend Österreichs und war auch Vorsitzender des Bundesjugendrings. Nächste Stationen waren das Katholische Bildungswerk und die Katholische Aktion Steiermark, bevor er 1994 steirischer Caritas-Direktor und 1995 als Nachfolger von Helmut Schüller Präsident der Caritas Österreich wurde. Diese Funktion hatte er bis 2013 inne und war in dieser Zeit auch Mitglied des ORF-Publikums- sowie des ORF-Stiftungsrats. 2016 übergab er auch die Leitung der steirischen Caritas. Küberl lebt in Graz. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Franz Küberls Buch "Zukunft muss nach Besserem schmecken, Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft" umfasst 144 Seiten und kostet 22 Euro. Präsentationen des im Tyrolia-Verlag erschienen Buches finden noch am 22. März in der Herder-Buchhandlung in Wien und am 24. März in der Grazer Buchhandlung Moser statt. Beginnzeit ist jeweils 19 Uhr.
Quelle: kathpress