Franziskus und die Wirren der argentinischen Innenpolitik
Als Kardinal Jorge Bergoglio am 13. März 2013 zum Papst gewählt wurde, war auch für die argentinische Politik nichts mehr so wie es einmal war. Plötzlich betrat ein Argentinier die Weltbühne und wurde damit international einflussreicher als die Alpha-Tiere des argentinischen Politikbetriebs.
"Bergoglio hat sehr entscheidende und prägende Momente der argentinischen Geschichte miterlebt", sagt Lars-Andre Richter von der FDP-nahen Friedrich-Nauman-Stiftung in Buenos Aires der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Er hat die Peron-Zeit, die Militärdiktatur, den Falkland-Krieg miterlebt. Das Land ist immer wieder von einem ins andere Extrem geworfen worden. Das alles hat die Persönlichkeit geprägt und sicher auch Einfluss auf seine heutige Amtsführung."
Bergoglio musste lernen, in den Wirren der argentinischen Politik zu balancieren, um nicht selbst unterzugehen. Kurz nach seiner Wahl erhob ein Journalist aus der Heimat Vorwürfe gegen Bergoglio, er habe mit der Militärdiktatur kooperiert. Die Vorwürfe erwiesen sich als falsch, Diktaturopfer kamen dem frisch gewählten Papst zu Hilfe. Einer von ihnen war Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel, der sich laut und deutlich hinter Franziskus stellte.
Der Papst lächelt - oder nicht
Ein umsichtiger Umgang mit der Politik in Argentinien erfordert es, ständig vor Stimmungsschwankungen auf der Hut zu sein. Eine radikale, emotional getriebene Wende vollzog die seinerzeitige Präsidentin Cristina Kirchner. Sie schickte erst ein unterkühltes Glückwunschtelegramm zur Wahl, verwandelte sich dann aber schnell in eine große Anhängerin des neuen Papstes. In Buenos Aires ließ sie plakatieren, Franziskus sei ein Peronist, also Fan des populistischen, sozial orientierten und autoritär regierenden Machthabers Juan Peron (1895-1974). Sie reiste mehrfach in den Vatikan, traf ihren Landsmann auch bei dessen Lateinamerika-Reisen immer wieder. Kirchner und der Papst sorgten wiederholt für gemeinsame Gute-Laune-Bilder, die von den Zeitungen gerne abgedruckt wurden.
Das wurde für Kirchners Nachfolger Mauricio Macri zum Problem. Denn anders als mit Kirchner gab es mit dem Konservativen Macri zunächst nur wenige Bilder, auf denen der Papst lächelte. Stattdessen schaute Franziskus bei Treffen meist grimmig. Prompt schlussfolgerten die argentinischen Medien, dass Franziskus mit der Peronistin besser klarkomme als mit den Konservativen. Das distanzierte Verhältnis zu Macri sollte sich tatsächlich nicht wirklich verbessern.
Der amtierende Präsident Alberto Fernandez hatte das Pech, dass in seine Amtszeit die Corona-Pandemie fiel. Persönliche Kontakte wurden deshalb drastisch reduziert. Trotzdem versuchte Fernandez immer wieder, eine inhaltliche Nähe zum Papst zu dokumentieren. Im Wahlkampf bekam er von den Armenpriestern Unterstützung, die dem Kirchenoberhaupt eng verbunden sind.
In sozialen Fragen ein Kommunist?
Kurz vor dem zehnten Jahrestag der Papstwahl von Franziskus widersprach dieser in einem neuen Interviewbuch ("El Pastor") dem gelegentlich aus konservativen Kreisen geäußerten Vorwurf, er sei in sozialen Fragen ein Kommunist: "Nein, man muss lesen, was im Evangelium steht." Jesus sei ein Revolutionär im besten Sinne des Wortes gewesen. Etwa als er, um sie zu heilen, zu den Aussätzigen gegangen sei, als es sonst niemand getan habe. Diesem Beispiel wolle er folgen.
In wirtschaftspolitischen Fragen steht Bergoglio nach eigenen Worten für das, was Johannes Paul II. als "soziale Marktwirtschaft" definiert habe. Ein zentrales Problem bestehe heutzutage darin, dass das Finanzwesen allzu oft Vorrang habe. Notwendig sei daher ein regulierendes Eingreifen des Staates. Er verdamme den Kapitalismus nicht, wie manche Leute behaupteten, so Franziskus weiter. "Ich bin auch nicht gegen den Markt." Natürlich seien Ersparnisse und Investitionen wichtig, um zu produzieren und Arbeit zu schaffen. Für verwerflich halte er dagegen reine Finanzspekulationen. Als Christ wolle er sich durchaus politisch engagieren, erklärte der Papst aus Argentinien. Was er indes nicht mache und was die Kirche auch nicht betreiben sollte, sei Parteipolitik.
Quelle: kathpress