Abtreibung: Umfrage deutet auf großen Druck auf Schwangere
Auch nach mehreren Anläufen von Bürgerinitiativen gibt es in Österreich weiter weder eine offizielle Statistik noch eine anonyme Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen. Die Bürgerinitiative #Fairändern hat sich dem Thema nun anders genähert: Durch eine repräsentative IMAS-Umfrage zu Einstellungen der Bevölkerung wie auch zu Ursachen für durchgeführte Abbrüche. Jede zweite betroffene Frau wird demnach zur Abtreibung gedrängt, so eines der am Dienstag in Innsbruck präsentierten Ergebnisse. Weiters wollen drei von vier Befragten mehr Unterstützung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt sowie mehr als zwei von drei Befragten Forschung zu Motiven sowie eine Statistik.
Konkret gaben 23 Prozent der mehr als 1.000 Befragten an, sie wüssten von einer Abtreibung im engeren Bekanntenkreis. Das familiäre Umfeld oder der jeweilige Partner der Betroffenen habe dabei nach ihrer Einschätzung "sehr starken" (22 Prozent) oder "eher starken" (29 Prozent) Druck in Richtung Schwangerschaftsabbruch ausgeübt, nur elf Prozent vermuteten "überhaupt keinen Druck". 77 Prozent aller Befragten stimmten der Aussage zu, sie wünschten mehr Unterstützung und Beratung für Frauen im Schwangerschaftskonflikt, "um ein Ja zum Kind zu ermöglichen". 84 Prozent erwarteten sich, dass Ärztinnen und Ärzte vermehrt auf Beratungsangebote hinweisen, fast ebenso viele - 80 Prozent der Befragten - befürworteten eine Einführung einer Bedenkzeit vor einer Abtreibung.
#fairändern-Vorsitzende Petra Plonner bezeichnete bei der Pressekonferenz die Ergebnisse als großteils "gut nachvollziehbar". Oft sei der Druck auf Schwangere enorm, "und er geht längst nicht mehr dahin, möglichst viele Kinder zu bekommen, sondern abzutreiben". Ähnlich äußerte sich Margit Haider, Leiterin der Abteilung für Erwachsene und Familien der Diözese Innsbruck. Frauen werde oft die gesamte Last der Entscheidung über ein Kind zugemutet, was eine enorme Überforderung sei, so die diözesane Expertin. Hörten Schwangere in Nöten den gängigen Satz "die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen - Abbruch oder Austragung", meist noch dazu mit einem Verweis auf Selbstbestimmung, so sei oft das Gegenteilige das Resultat: "Betroffene werden allein gelassen", so Haider.
"Ungeplant" nicht "ungewollt"
Die diözesane Abteilungsleiterin warnte vor einer Entwicklung der Gesellschaft hin zu einer "Planungs-, Kontroll- und Verfügungsinstanz", die mit Ungeplantem oder Überraschendem nicht mehr umzugehen wisse. "Ungeplantes" dürfe nicht immer gleich verstanden werden als "ungewolltes" Leben, das automatisch in "Unfreiheit" führe. Zahllose ungeplante Kinder seien erfahrungsgemäß später das Glück ihrer Mütter und Väter. Ein "Ja" sowohl zum ungeborenen Leben als auch zu der im Konflikt stehenden Schwangeren sei möglich, so die Überzeugung Haiders. Um dem in der Umfrage sichtbar gewordenen Druck entgegenzuwirken, gelte es, nicht erst in Beratungsstellen und Therapien, sondern schon im direkten Umfeld "Türen offenzuhalten" und Bedenken und Empfindungen aufzufangen. Zudem sei die Politik gefordert, Familien noch mehr zu fördern.
Kein Verständnis für das weiter andauernde Fehlen valider Zahlen zum Schwangerschaftsabbruch in Österreich signalisierte Daniela Karall, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Rund um das Tabuthema herrsche "große Desinformation", wobei es sich Österreich bei geschätzten 30.000 Abbrüchen pro Jahr - was eine sehr hohe Zahl wäre - ein "Wegschauen" nicht erlauben dürfe. "Es braucht dringend eine Statistik und eine Motivforschung zur Abtreibung in Österreich, wie es sie ja in den meisten anderen Ländern gibt, damit zielgerichtet und besser geholfen werden kann", forderte die stv. Direktorin der Innsbrucker Uniklinik für Pädiatrie I. Fehlende Ehrlichkeit und Kompetenz der Gesellschaft beim Thema Abtreibung ortete Tirols Landesvorsitzende des Psychotherapieverbandes, Ines Gstrein. "Kein Schwangerschaftsabbruch geht spurlos an einer Frau vorbei."
Abtreibung bei Behinderung
Ein wohl noch größeres Tabu als Abtreibung allgemein wurde bei der IMAS-Umfrage ebenfalls beleuchtet, nämlich die Einstellung zu einer Schwangerschaft bei Verdacht auf Behinderung. 75 Prozent aller Befragten orteten in solchen Fällen "steigenden Druck in Richtung Abtreibung", 84 Prozent wünschten mehr Beratung und Unterstützung für Familien bei Verdachtsdiagnosen in der Schwangerschaft.
Marianne Hengl, Obfrau des Vereins "RollOn Austria" und selbst im Rollstuhl, forderte ein Ende des "vorgeburtlichen Aussortierens" von Kindern mit Behinderung im Zuge der eugenischen Indikation. Dass ein Fötus bei Verdacht auf Behinderung über die Fristenregelung hinaus bis zur Geburt abgetrieben werden dürfe, sei "menschenunwürdig" und eine "schlimme Diskriminierung von behinderten Menschen". Ähnlich forderte auch #fairändern-Initiatorin Petra Plonner ein Ende der eugenischen Indikation. Diese sei ein "Unrecht", eine "Schande für unser Land" und eine "Erinnerung an barbarische Zeiten".
Information und Bedenkzeit
Weitere Forderungen Plonners in Richtung Politik: Im Rahmen einer "Informationspflicht" sollten Schwangere von Ärzten auf Beratungs- und Hilfsangebote hingewiesen werden müssen. Vor Abtreibungen solle eine mindestens dreitägige Bedenkzeit vorgeschrieben sein, zudem solle eine Informationskampagne für einen Imagewandel rund um Adoption und Pflegestatus als Alternative zur Abtreibung gestartet werden. Dass eine weitere Forderung - die Schaffung eines breit gefächerten konkreten Hilfsangebots für Familien, die ein behindertes Kind erwarten - großen Rückhalt in der Bevölkerung habe, habe die Umfrage sehr deutlich bestätigt. (Infos: www.fairaendern.at)
Quelle: kathpress