Ukraine-Hilfe: Ostkirchengemeinden in Wien ziehen Zwischenbilanz
"Abend der Wohltäter - Hilfe für die Ukraine" - Unter diesem Motto hat das Ordinariat für die katholischen Ostkirchen in Österreich eine erste Zwischenbilanz über zahlreiche Hilfsaktivitäten der ukrainisch-katholischen Kirchengemeinden in Wien gezogen. Neben den Sach- und Geldspenden, die in einem Jahr seit Ausbruch des Überfalls Russlands auf die Ukraine gesammelt werden konnten, stand eine breite Palette von kirchlichen Hilfsinitiativen im Fokus einer Veranstaltung am Montagabend im Wiener Erzbischöflichen Palais. Eingeladen dazu hatte Kardinal Christoph Schönborn als Ordinarius für die Gläubigen der katholischen Ostkirchen in Österreich, der sich aufgrund seiner aktuellen Reise zu Religionsgesprächen in Saudi-Arabien durch seinen Ostkirchen-Generalvikar Yuriy Kolasa vertreten ließ.
"Vom ersten Tag an waren die ukrainischen Gemeinden hier in Österreich oftmals erste Anlaufstellen für die Hilfesuchenden und begleiten auch aktuell noch tausende von schutzsuchenden Ukrainerinnen und Ukrainern", hielt der Wiener Erzbischof in seinem Grußwort fest. Der Kardinal erinnerte damit an die Tage unmittelbar nach dem Kriegsausbruch, wo sich die ukrainisch-katholische Pfarre St. Barbara in der Wiener Innenstadt als Hotspot für Gestrandete und Geflüchtete etabliert hatte. Eine weitere Anlaufstelle war die ukrainisch-katholische Gemeinde in der Pfarre Neuottakring und nicht zuletzt das Ostkirchen-Ordinariat. Alle drei Einrichtungen konnten allein an Geldspenden bisher rund 1,27 Mio. Euro sammeln. Der Großteil davon wurde für medizinische Hilfe in Form von Medikamenten oder den Ankauf von gebrauchten Krankenwagen direkt in der Ukraine eingesetzt.
Pfarrliches Engagement "wie ein Wunder"
Es sei wie ein "Schock" gewesen, so der Pfarrer von St. Barbara, Taras Chagala, als er am 24. Februar 2022 in der Früh vom Ausbruch des Krieges gehört habe. "Der Krieg hat begonnen, ab 9.00 Uhr ist die Kirche für das Gebet geöffnet", habe er daraufhin in den Sozialen Medien gepostet. Was sich aber dann in der weltweit ältesten ukrainisch-katholischen Pfarre außerhalb der Ukraine ereignet habe, sei "wie ein Wunder gewesen": Spontan sammelten sich Freiwillige in der Pfarre, um zu helfen. Bald kamen "unaufgefordert" die ersten Sachspenden und infolgedessen wurden rund um die Uhr Kleider, Medikamente und Lebensmittel entgegengenommen, sortiert und auch gleich wieder verladen, um alles direkt in die Ukraine zu transportieren. "Bereits drei Tage nach Kriegsausbruch hatten wir eine Plattform für Notquartiere etabliert", erinnerte Chagala. "Die Ersten, denen wir konkret helfen konnten, waren Menschen aus der Ukraine, die nicht mehr zurückkonnten und keine Wohnmöglichkeit hatten."
In der Folge gab es rund 300 ständige Helfer, die sich in verschiedene Arbeitsbereiche aufteilten und selbst organisierten. So gebe es Leute für die Erstaufnahme, Sachspenden, Wohnungssuche, Logistik, Behördenwege, aber auch für das Spendensammeln, Kulturaktivitäten, Sprachkurse und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Insgesamt seien 20 LKW-Ladungen an Sachspenden und daneben zahlreiche Kleintransporte bislang in die Ukraine gebracht worden. Vieles lasse sich nicht beziffern, so Chagala, am klarsten noch die Spenden, die über ein eigens in der Pfarre für die Ukraine-Hilfe eingerichtetes Konto gesammelt wurden: So habe man bis zum Jahreswechsel 910.000 Euro bekommen und davon 767.000 wieder ausgegeben. Davon waren 63 Prozent für medizinische Hilfe, 27 bzw. 4 Prozent für humanitäre Hilfe in der Ukraine bzw. in Österreich, 4 Prozent für Logistik und 1 Prozent für Büro und Infrastruktur in der Pfarre. Als verlässlicher Projektpartner in der Ukraine habe sich die Organisation "YOUKraine" etabliert. "Jede Woche geht ein Transport aus der Pfarre in die Ukraine und dort bis ganz in den Osten, sogar bis nach Bachmut", so Pfarrer Chagala.
Schon 22 Krankenwagen übergeben
Ein anderes Erfolgsprojekt der kirchlichen Ukraine-Hilfe ist die Lieferung von Krankenwagen. Federführend dabei ist die ukrainisch-katholische Gemeinde in der Pfarre Neuottakring. Der dortige Pfarrer Luibomyr Dydka berichtete über die dortige "Ukraine Direkthilfe". Rund 200 Tonnen an Sachspenden konnten in der "viertgrößten Kirche Wiens" entgegengenommen und zeitweise zwischengelagert werden.
"Es ist einfach, Krankenwagen zu kaufen, aber schwierig, sie in die Ukraine zu bringen", resümierte Dydka seine bisherigen Erfahrungen mit den ersten zehn Krankenwagen, die man im vergangenen Jahr gebraucht und günstig dem "Grünen Kreuz" abkaufen und an die neuen ukrainischen Bestimmungsorte bringen konnte. Es folgte der Ankauf von zwölf weiteren Krankenwagen, die erst vor zwei Wochen Generalvikar Kolasa direkt in der Ukraine übergeben konnten. "Und bis Ende des Jahres planen wir weitere 19 Krankenwagen vom 'Grünen Kreuz' zu übernehmen und in die Ukraine zu bringen", berichtete der Pfarre der "Heiligen Familie". Knapp 138.000 Euro habe man an Spenden dafür sammeln können, weitere Mittel zum Ankauf der gebrauchten Autos seien vom Ostkirchen-Ordinariat bzw. anderen ukrainisch-katholischen Gemeinden in Österreich gekommen.
Hilfe über kirchliches Netzwerk in der Ukraine
Auf dem von Kardinal Schönborn initiierten Spendenkonto seien bisher exakt 225.975,94 Euro eingegangen, berichtete Kolasa. Von Anfang an sei es dem Kardinal ein Anliegen gewesen, über die ukrainischen Bischöfen zu helfen und sie zu unterstützen. Die Bischöfe seien im Land bei den Menschen in der Ukraine geblieben. So könne man über das kirchliche Netzwerk der Pfarren den Tausenden vom Krieg betroffenen Menschen "unverzügliche und direkte Hilfe" zukommen lassen. Er, Kolasa, habe erst kürzlich persönlich Geldspenden übergeben und sich ein Bild von der Lage machen können.
So habe beispielsweise der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk 35.000 Euro für Hilfsmaßnahmen der dortigen Caritas bekommen. Den größten Spendenbetrag von 70.000 Euro seien dem Bischof-Exarch von Charkiw, Vasyl Tuchapets, übergeben worden.
Neben der konkreten Hilfe brauche es aber auch die geistig-moralische Unterstützung für die Kriegsopfer, so Kolasa: "Wir dürfen uns in Österreich einfach nicht an die Kriegsverbrechen in der Ukraine gewöhnen. Wir müssen diesen Menschen eine Stimme geben und laut und klar die Wahrheit über diesen ungerechten, völkerrechtswidrigen Krieg zu sagen." Letztlich werde es "die Hauptaufgabe der Kirche in der Ukraine für die Zukunft sein, Millionen von Menschenherzen zu verwandeln. Den Hass und das Leid, das durch den Krieg verursacht wurde, in Liebe und Vergebung zu verwandeln, was die Voraussetzung für die zukünftige Versöhnung ist", schloss der Ostkirchen-Generalvikar.
Moderiert wurde der Abend von der aus der Ukraine stammenden Aktivistin Anna Pattermann. Sie studiert in Wien Politikwissenschaft und engagiert sich u. a. bei "Unlimited Democracy - Verein zur Förderung der Demokratisierung". Musikalische Beiträge kamen von der ukrainischen Opernsängerin Zoryana Kushpler, die auch in Wien wirkt, sowie von der Sängerin und Bandura-Spielerin Olena Nechai Nazal.
Quelle: kathpress