Kräutler zum Pontifikat Franziskus': "Hätte mir mehr erwartet"
Der emeritierte austrobrasilianische Bischof Erwin Kräutler hätte sich vom Pontifikat des ersten Südamerikaners auf dem Stuhl Petri, Papst Franziskus, mehr innerkirchliche Reformen erhofft. "Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, ich hätte mir ein bisschen mehr erwartet", antwortete der 83-Jährige, der sich nach Spitalsbehandlung wegen einer Lungenembolie noch zur Erholung in seiner Vorarlberger Heimat befindet. Konkret nannte Kräutler Öffnungen in Richtung Frauendiakonat und Zölibatsverpflichtung, was gerade für seinen langjährigen Wirkungsbereich Amazonien wünschenswert wäre. Die Hoffnung auf solche Weichenstellungen "stirbt zuletzt", sagte er in der "Neuen Vorarlberger Tageszeitung" (Sonntag), "und Kardinal Schönborn hat gesagt, die Hoffnung stirbt überhaupt nicht".
Er kenne Franziskus nicht zuletzt wegen seiner Mitarbeit an der Bischofssynode zu Amazonien vor drei Jahren gut, wie Kräutler sagte. Im Vorfeld dazu habe es über 80.000 Wortmeldungen "und damit auch Rückenwind vom Volk" gegeben. "Dafür ist zu wenig herausgekommen", meinte der von 1981 bis 2015 als Bischof von Xingu, der flächenmäßig größten Diözese Brasiliens, tätige Kräutler. In der katholischen Kirche gebe es heute eine "ziemlich lautstarke" Gruppe, die "traditionalistisch im negativen Sinn" agiere. Gegen diese anzukämpfen, sei schwierig. "Da tut sich auch der Papst schwer", räumte Kräutler ein.
Ein ständiger Diakonat für Frauen wäre sinnvoll, da zwei Drittel der kleinen kirchlichen Basisgemeinden in Brasilien von Frauen geleitet werden. Dazu gebe es verheiratete Männer, die sich für Glauben und Kirche einsetzen. "Bei denen sagen selbst konservative Bischöfe, sie hätten absolut keine Hemmungen, diese Männer zu Priestern zu weihen", so Kräutler. Er sei nicht prinzipiell gegen den Zölibat. "Aber es muss Ausnahmen geben" - wie z. B. für protestantische verheiratete Pastoren, die konvertieren.
Ob es im Zuge der kommenden Weltsynode über Synodalität zu Reformen in dieser Richtung kommt, wage er nicht zu prognostizieren, verwies der Bischof auf das bereits vorgerückte Alter des Papstes.
Brasiliens "Aufwachen aus einem Albtraum"
Befragt nach der politischen Situation in seiner Wahlheimat Brasilien, wiederholte Kräutler seine oftmals geäußerte Kritik am abgewählten Rechtspopulisten Jair Bolsonaro. Die dritte Amtszeit von Präsident Lula da Silva kommentierte der als 26-Jähriger nach Brasilien übersiedelte Angehörige der Missionare vom Kostbaren Blut als "ein Aufwachen aus einem Albtraum" für das größte Land Lateinamerikas. "Bolsonaro war eine Katastrophe für ganz Brasilien." Lula habe sich in seiner bisherigen Politik dafür eingesetzt, die Kluft zwischen den Armen und den Bessergestellten zu verringern.
"Amazonien hat er allerdings in seinen ersten beiden Präsidentschaftsperioden kein besonderes Augenmerk geschenkt", bemängelte Kräutler. Aber jetzt gebe es internationalen Druck gegen den dortigen Landraub, und als "symbolträchtig" stuft es Kräutler ein, dass mit der ihm bekannten Sonia Guajajara eine Indigene zur Ministerin für indigene Völker ernannt wurde. "Ich traue ihm schon eine Besserung zu", trotz der schon länger bestehenden Spaltung in der Bevölkerung, sagte Kräutler über Lula.
Seit 2006 unter Polizeischutz
Er selbst stehe nach wie vor - und das seit 29. Juni 2006 - in Brasilien unter Polizeischutz. "Damals habe ich mich stark gegen das Belo-Monte-Kraftwerk und für die indigenen Völker eingesetzt", erzählte Kräutler. Bereits davor war seine Mitstreiterin Sr. Dorothy ermordet worden - "keine Einzeltat", sondern gezielte Tat einer Gruppe, wie der Bischof betonte. Damals habe er auch Missbrauchsfälle angezeigt und in der Folge Morddrohungen bekommen. Inzwischen wollte er schon ein paar Mal auf den Schutz verzichten. "Aber die zuständige Staatspolizei hat mich gebeten, ihn weiter zu akzeptieren", sagte Kräutler.
Bis er nach Brasilien zurückfliegen kann, werde er wohl noch bis März oder April rekonvaleszent bleiben. "Ich möchte aber unbedingt wieder zurück, ... bin zwar emeritierter Bischof, aber das heißt in Brasilien nicht viel", so Kräutler. In Xingu habe er zwar einen Nachfolger, aber auch noch eine Funktion in der Brasilianischen Bischofskonferenz. "Emeritus habe ich nie so aufgefasst, dass ich mich jetzt in einen Sessel setze und den ganze Tag fernsehe."
2010 wurde "Dom Erwin" für seinen Einsatz für die Menschenrechte der Indianer und die Erhaltung des tropischen Regenwaldes im Amazonas-Gebiet mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Er habe diese u.a. Ehrungen aber nie als persönliche Preise für sich selbst gesehen, merkte Kräutler jetzt dazu an. "Es war immer ein Teamwork" - mit Erfolgen wie der Verankerung von Indigenen-Rechten in der Verfassung.
Quelle: kathpress