Präsident der Palliativgesellschaft: Kein Recht auf Suizidbeihilfe
In Österreich gibt es trotz gegenteiliger Rhetorik von Befürwortern auch weiter kein Recht auf assistierten Suizid: Das hat der Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OGP), Dietmar Weixler, im Interview mit dem wissenschaftlichen IMABE-Informationsdienst "Bioethik aktuell" (Mittwoch) klargestellt. Der Mediziner zog Zwischenbilanz über das erste Jahr, in dem die umstrittene Praxis in Österreich erlaubt und auch durchgeführt wurde, und blickte besorgt in die Zukunft: Langfristig stehe das "juristische Konstrukt von Autonomie" klar im Widerspruch zu den Werten der Medizin, sagte er. Das bringe für die beteiligten Berufe viele Konflikte. Zudem blende die Betonung der Autonomie zahlreiche andere Faktoren für Suizidalität aus.
Immer wieder würden Befürworter behaupten, die Hürden auf dem Weg zur legalen Selbsttötung seien zu hoch und verunmöglichten die Umsetzung eines bestehenden "Grundrechtes", sagte Weixler, und wies dies zurück: Schließlich dürfe aufgrund der sogenannten Weigerungsklausel niemand zur Mitwirkung an Selbsttötung verpflichtet werden. Das Sterbeverfügungsgesetz habe jedoch auch schon bisher Belastungen, Überforderungen und Dilemma-Situationen für die beteiligten Berufe gebracht. Die Palliativmedizin sei eigentlich ganz anderen Zielen verpflichtet wie etwa der Vorgabe, weder das Leben zu verkürzen noch den Tod hinauszuzögern. Letztere Problemstellung komme in der Praxis "100 Mal häufiger" vor als jene des assistierten Suizides, betonte Weixler.
Im Namen seiner Berufsgruppe sprach der Palliativmediziner von einer "Zumutung, dass wir für die Ausführung von Selbsttötungen zuständig gemacht werden". Einerseits aus organisatorischen Gründen: Fast zu 100 Prozent sei seine Kollegenschaft bei diversen Institutionen angestellt und somit auch an deren Vorgaben gebunden. Laut einer OGP-Studie fanden alle bisherigen Beihilfen jedoch nicht im Spital, sondern im privaten Umfeld statt, zu dem juristisch auch die zwei Fälle in Pflegeheimen und ein weiterer in einem Hospiz zählten. Die für Interessenten an der Selbsttötung verpflichtenden Aufklärungsgespräche könnten die Mediziner somit höchstens nebenberuflich führen, außer die Institutionen hätten dazu bereits interne Vorgaben erarbeitet - was laut Weixler meist sehr lange dauert.
Noch mehr drohe die Palliativmedizin durch Suizidbeihilfe aber aufgrund ihrer anders gelagerten Zielvorgaben ernsthaft Schaden zu nehmen, sagte der OGP-Präsident. Als warnendes Beispiel führte er Kanada an. Dort sei inzwischen längst die "Klarheit eingetrübt, wofür Palliativmedizin oder das Hospiz überhaupt stehen". Häufig fragten Patienten "unterstützen Sie mich in der medizinischen Einrichtung, oder bieten sie eine Tötung auf Verlangen oder einen assistierten Suizid an?" Im Unterschied zu dem nordamerikanischen Land sei Österreich "noch in der glücklichen Situation", dass Angestellte der Palliativeinrichtungen nicht zur Beihilfe zum Sterben verpflichtet werden könnten.
Ganz verbieten könnten die Krankenhäuser den assistierten Suizid allerdings nicht, glaubte der OGP-Präsident - zumindest dann, wenn ein Patient zuvor die vorgesehene Prozedur durchlaufen habe. Es werde auf lange Sicht "wohl keine Institution in Österreich geben, die das [Suizidbeihilfe innerhalb der Einrichtung, Anm.] nach eigenem Hausrecht verbieten kann". Für ebenso unwahrscheinlich hält der Palliativmediziner jedoch auch den Erfolg einer weiteren sich bereits ankündigenden Verfassungsklage, die auf die Legalisierung eines "Töten auf Verlangens" abziele. Weixler: "Der rechtliche Rahmen ist vom Verfassungsgerichtshof so gebaut, dass es schwierig wird, das bislang Existierende zu erweitern. Das will der Gesetzgeber derzeit nicht. Man möchte das jetzt Erreichte nicht in weiteren Misskredit bringen."
Quelle: kathpress