KAÖ-Präsident: Arbeitsminister Kocher auf "völlig falschem Weg"
Die Katholische Aktion Österreich (KAÖ) sieht in den von Arbeitsminister Martin Kocher geäußerten Vorschlägen, Sozialleistungen für in Teilzeitarbeit beschäftigte Menschen zu kürzen, einen "völlig falschen Weg". Den Arbeitskräftemangel "mit Zwang zur Vollzeitarbeit durch Entzug von Sozialleistungen und sozialer Sicherheit" bewerkstelligen zu wollen, verkenne die Lebensrealität heutiger Menschen, kritisierte KAÖ-Präsident Ferdinand Kaineder in einer Aussendung am Mittwoch. Die zuletzt angedeuteten Forderungen des Ministers "tragen sogar eine zynische Tonalität in sich und bedienen ungerechtfertigte Pauschalierungen".
Die Katholische Aktion möchte die von Kocher angestoßene Diskussion jedoch nützen, um ihre Sichtweisen und Einschätzungen aus dem KAÖ-Dossier "Arbeit und soziale Fairness" darzulegen. Gerade die gesellschaftlichen Umwälzungen in Folge der Covid-Krise, der Klima- und fossilen Ressourcenkrise und des Krieges gegen die Ukraine hätten zu Verschiebungen im sozialen Gefüge in Österreich geführt. "Die Arbeitslasten sind ungleich verteilt", wies Kaineder hin.
Er erinnerte daran, dass die Menschenrechte ein Recht auf Arbeit und damit auf eine Absicherung für alle Lebensphasen mit und ohne Erwerbsarbeit einfordern. "Diese Arbeit muss sinnstiftend und menschengerecht gestaltet sein. Gerade im Bereich der Vollzeitarbeit zeigen sich körperlich und psychisch hohe Anforderungen, die oftmals nicht mehr erbracht werden können", erklärte Kaineder. Immer mehr Menschen würden sich daher - in den meisten Fällen unfreiwillig - gegen bestimmte Arbeitsbedingungen verwehren, weil ihnen Gesundheit, Familien und Gemeinschaftsleben mehr wert seien als Vollzeiterwerbsarbeit, "die krankmacht oder keine freie Zeit lässt". Der KAÖ-Präsident konstatierte ein "neues Bewusstsein und ein breites Verantwortungsgefühl für Arbeitsbedingungen" und die damit verbundenen Anforderungen.
Als weiter nötig erachtet Kaineder ein besonderes Augenmerk der Arbeitsmarktpolitik auf die Sozialbereiche, in die kräftig investiert werden müsse - vor allem in Care-, also Sorge-Arbeit. Auch ein Anrecht auf kostenlose Kinderbetreuung gelte es abzusichern. "Gerade darin sehen wir die Hauptursache für die neuen Zwänge, die Menschen - gerade Frauen - nicht frei wählen lässt", sagte Kaineder. Attraktive und gut bezahlte Arbeitsplätze mit begleitenden Maßnahmen zugunsten einer fairen Umverteilung der unbezahlten Arbeit bringen nach Überzeugung der Katholischen Aktion zudem einen hohen Beschäftigungs- und gesamtwirtschaftlichen Effekt.
Grundsätzlich brauche es "mehr solidarisches Wirtschaften, das Wachstum beschränkt und dafür für alle Beteiligten Arbeiten und Wirtschaften entlang von regenerativen Prozessen ermöglicht", unterstrich Kaineder. Alle Lebensprozesse seien so zu gestalten, dass sie Raum und Zeit für Regeneration lassen.
Kocher rudert zurück
Arbeitsminister Kocher relativierte derweil am Mittwoch seinen zuvor in einem "Kurier"-Interview gemachten Vorschlag, Sozialleistungen bei Teilzeitarbeit zu kürzen. Mütter mit Betreuungspflichten seien natürlich tabu, sagte er vor dem Ministerrat. Ihm gehe es vor allem um junge Menschen ohne Betreuungspflichten oder gesundheitliche Einschränkungen. Grundsätzlich zeigte sich Kocher froh, dass nun eine Debatte über Teilzeit- und Vollzeitarbeit geführt werde. Österreich müsse seinen Wohlstand erhalten.
Kocher hatte im "Kurier" (Dienstag) weitere Schritte für notwendig erachtet, "um Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen, wie eine geringere Abgabenbelastung und noch treffsichereren Einsatz von Sozialleistungen". In Österreich werde bei Sozial- und Familienleistungen wenig unterschieden, ob jemand 20 oder 38 Stunden arbeitet. "Wenn Menschen freiwillig weniger arbeiten, dann gibt es weniger Grund, Sozialleistungen zu zahlen", so Kocher.
Kritik am Minister äußerten daraufhin nicht nur die Oppositionsparteien und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) als Regierungskollege Kochers, sondern auch der Katholische Familienverband Österreichs.
Quelle: kathpress