Prag: Kritik am Umgang mit Missbrauchsskandal bei Synode
Bei der Europa-Etappe der Weltsynode in Prag haben am Montag einige Redner eine mangelnde Berücksichtigung von Missbrauchsopfern kritisiert. Die umfassendste Kritik äußerte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing. Er sagte am Montagabend, es komme in den bisherigen Beiträgen zu wenig zur Sprache, dass die Kirche "zutiefst verwundet sei", weil zahlreiche Priester und Ordensleute durch sexuellen Missbrauch "Menschen in der Kirche verwundet haben".
Die Situation sei dramatisch, betonte Bätzing. In Europa gebe es "Hunderttausende Opfer" von sexuellem Missbrauch durch Geistliche. Wenn diese nicht gehört würden, sei keine Vergebung möglich. Es sei unverständlich, warum die Opfer bei der Synode keine Stimme hätten. Bätzing würdigte zugleich, dass im Vorbereitungspapier in einem Kapitel der Missbrauch erwähnt werde, bezeichnete dies aber als unzureichend.
"Einige Skandale" greift zu kurz
Ähnlich wie Bätzing kritisierte auch der in Moskau arbeitende Jesuitenpater Stephan Liepke den bisherigen Umgang mit dem Missbrauchsskandal in der Synode. Dabei erwähnte er die Predigt des Prager Erzbischofs Jan Graubner beim Eröffnungsgottesdienst am Sonntagabend. Dieser habe von "einigen Skandalen" durch Männer der Kirche und durch Geistliche gesprochen, in Wahrheit gebe es aber sehr viele Skandale und Verletzungen.
Es sei ein "riesiges Problem, das wir ernsthaft angehen müssen, um herauszufinden, was Umkehr und Neuanfang bedeuten können". Bereits am Montagvormittag war in einigen Redebeiträgen kritisch angemerkt worden, dass im Vorbereitungspapier der Kontinental-Etappe der Missbrauchsskandal nicht ausreichend berücksichtigt werde.
Im Österreich-Papier, das am Montag von der Wiener Theologin Regina Polak vorgetragen wurde, wird eingemahnt, dass das Thema Missbrauch weltkirchlich weiter bearbeitet werden muss.
Iren fordern radikale Konsequenzen
Die irische Delegation bei der Europa-Etappe der katholischen Weltsynode hat radikale Konsequenzen aus dem kirchlichen Missbrauchsskandal gefordert. Der Missbrauch habe tiefe Wunden gerissen und bei vielen den Glauben zerstört, heißt es in der am Dienstagvormittag von einer Katholikin und einem Priester verlesenen Stellungnahme der irischen Delegation. Dies betreffe am meisten die Opfer, aber auch viele Gläubige, Priester und Bischöfe. Viele könnten in einer Kirche, die so viele betrogen habe, keine gute Nachricht mehr hören.
Deshalb sei nun Umkehr nötig. Der Missbrauch bleibe eine offene Wunde, wenn er nicht umfassend angegangen werde. Nur wenn eindeutig gehandelt und tiefer angesetzt werde, um die Ursachen vollständig zu verstehen, könne die Kirche das "Feldlazarett" werden, das Papst Franziskus gefordert habe.
In der Vorbereitung auf die Synode hätten viele irische Katholiken beklagt, dass Frauen von Diensten und Entscheidungen in der Kirche ausgeschlossen würden. Viele Katholiken in Irland forderten eine Zulassung von Frauen zu Diakonat und Priestertum. Auch hätten viele, die in Liebesbeziehungen lebten, die der Lehre der Kirche widersprechen, sich als verletzt gezeigt, weil sie sich in kirchlichen Kreisen und durch die Sprache kirchlicher Dokumente ausgeschlossen und erniedrigt fühlten.
"Symbol des Einladens oder Ausschließens"?
Es müsse geklärt werden, ob das Symbol der Kirche als Zelt ein Symbol des Einladens oder des Ausschließens werde. Schon jetzt habe die Teilnahme vieler an dem synodalen Prozess neue Freude am Kirche-Sein vermittelt. Etliche Missbrauchsfälle hätten vermieden werden können, wenn die Kirche damals schon synodaler gewesen wäre. Es gebe eine große Sehnsucht nach einer offeneren und einladenden Kirche. Die Menschen verlangten nach mehr Offenheit in der Liturgie, in der Sprache, in Strukturen und in Entscheidungsprozessen.
Der Klerikalismus müsse durch breite Mitwirkungsmöglichkeiten aller in der Kirche überwunden werden. Die Kirche müsse "alle notwendigen Änderungen in Lehre, Strukturen, Kirchenrecht und Seelsorge" ins Auge fassen und dabei darauf achten, dass die kirchliche Gemeinschaft und die Lehre Jesu beibehalten werde.
Der Beitrag der irischen Delegation war der 14. in einer Reihe von 39 Stellungnahmen, die sich bei der Versammlung in Prag über drei Vormittage hinziehen. Vor den Iren hatten am Montag unter anderen bereits Deutsche und Franzosen weitreichende Veränderungen als Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal gefordert.
Mehrere Delegationen aus Süd- und Osteuropa warben in ihren Beiträgen dafür, Lehre und Strukturen der Kirche nicht in Frage zu stellen. So warnte etwa der Sprecher der litauischen Delegation ausdrücklich vor einer "Verfälschung der christlichen Lehre" und verteidigte die klerikale Struktur der katholischen Kirche. Zugleich betonte er, dass die Forderung nach einer Frauenordination in seinem Land kein Thema sei.
Quelle: kathpress