Salzburger Pastoraltagung
Synodalität nicht nur für Kirche heilsames Rezept
Salzburger Pastoraltagung
Synodalität nicht nur für Kirche heilsames Rezept
Die derzeit die Kirche bewegende synodale Kommunikation und eine darauf aufbauende synodale Dialog-, Diskussions- und Konfliktkultur "könnte auch ein zukunftsweisender Beitrag der Kirche für eine fragmentierte Gesellschaft sein". Mit diesem Gedanken betonte die Sozialethikerin und Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Edith Stein in Innsbruck, Petra Steinmair-Pösel, am Abschlusstag der Österreichischen Pastoraltagung in Salzburg am Samstag, dass der von Papst Franziskus auf orts-, kontinental und weltkirchlicher Ebene ausgerufene geistliche Reformprozess nicht nur binnenkatholische Bedeutung hat, sondern als "hörende Kulturveränderung" auch als ein "Beitrag der Kirche für eine taumelnde Welt" zu sehen sei.
Die Überzeugung Steinmair-Pösels, die auch maßgeblich an der Endredaktion der österreichischen "Nationalen Synthese zum synodalen Prozess" verantwortlich war und Österreich gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner, der Pastoraltheologin Regina Polak und dem Salzburger Theologen Markus Welte bei der Europa-Kontinentalversammlung der Weltsynode im Februar in Prag vertreten wird: "Dieser synodale Ansatz ist etwas, was unsere Welt jetzt dringend braucht." Anstatt Konfrontation zu suchen oder den Krieg zu erklären, "brauchen wir Prozesse, die es ermöglichen, Differenzen auszudrücken, zu hören und reifen zu lassen, dass wir gemeinsam auf dem Weg sein können, ohne das Bedürfnis, jemanden zu zerstören", sagte die Theologin mit Bezugnahme auf den Papst. Es sei harte Arbeit und erfordere Geduld, für dauerhaften Frieden "Prozesse des gegenseitigen Zuhörens zu schaffen und aufrechtzuerhalten".
Synodalität beinhalte in einer kulturell, religiös und weltanschaulich pluralen Welt auch ein gemeinsames Gehen mit und Wertschätzen der "anderen", erklärte Steinmair-Pösel. Für sie ist aufgrund der Rückmeldungen klar, dass der begonnene Prozess unbedingt weitergeführt werden, das Verständnis und die Praxis von Synodalität weiterentwickelt und vertieft werden soll. Die auch bei der vorsynodalen Versammlung im Sommer 2022 in Mariazell angewandte Methode des geistlichen Gesprächs ("spirituelle Konversation") finde weltweit breite Zustimmung; sie sieht "echtes Zuhören" vor - für die Rektorin der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Inklusion und Partizipation.
Steinmair-Pösel räumte ein, dass es in der Kirche strukturelle Hindernisse gebe, die beseitigt werden müssten. Reformanliegen aus der synodalen Beratung, die man vor Ort aufgreifen und umsetzen kann, gelte es sofort umzusetzen. Bei Anliegen, die nicht vor Ort umgesetzt werden können, wünschen sich die Gläubigen in Österreich eine Thematisierung auf der entsprechenden übergeordneten Ebene. Die Theologin hielt grundsätzlich fest: "Synodalität baut zentral auf Gemeinschaft, Teilhabe und Mitverantwortung aller Getauften."
Der zweite Tagungsreferent am Samstagvormittag, der Melker Theologe und Philosoph Jakob Helmut Deibl, lud das Auditorium zur Auseinandersetzung mit literarischen Texten ein, in denen sowohl das Tagungsthema "Präsenz" als auch Abschied bzw. Abwesenheit zum Ausdruck kommen. Die Bibel kenne zwar viele Motive einer dauernden Präsenz Gottes und die Philosophie spreche von Gott als dem "allerrealsten Wesen", aber es gebe zugleich keine unmittelbare Erfahrung Gottes. Dem könnten sich in ästhetischen Sprachformen gefasste Übergänze zwischen da und abwesend sein vielfach anregend annähern.
"Ziemlich beste Begegnungen"
Mit einer Filmeinspielung des querschnittgelähmten Philippe Pozzo di Borgo, dessen Erfahrungen mit seinem unkonventionellen Pflegehelfer die Vorlage für den französischen Erfolgsfilm "Ziemlich beste Freunde" bildeten, reicherte Otto Neubauer, Leiter der Akademie für Dialog und Evangelisation in Wien, seine Ausführungen am Freitagnachmittag über "Ziemlich beste Begegnungen" an: Er sei von dieser berührenden Geschichte über jemanden, der neuen Mut im Leben fasste, fasziniert gewesen und habe Kontakt mit Pozzo di Borgo aufgenommen, der ihm mittlerweile zum Freund geworden sei. Und zum Impulsgeber für die vielen Dialogabende mit prominenten Zeitgenossen, die im Rahmen der Akademie in den vergangenen Jahren stattfanden. Es gehe darum, Menschen nicht ändern zu wollen, "meet people", also: triff sie einfach absichtslos, so der Rat des Franzosen. Einzige Methode dabei sei, selbst authentisch zu sein ("I simply need to be true") und, die Sicherheit der eigenen Community, aber auch der Religion aufzugeben.
Der von der katholischen Gemeinschaft Emmanuel geprägte Neubauer setzt dies, unterstützt durch Kardinal Christoph Schönborn, in auch medial viel beachteten Brückenschlägen hin zu gläubigen, agnostischen und atheistischen Prominenten wie Robert Menasse, Gerhard Bronner, Barbara Stöckl oder Josef Hader um - nicht in Kirchenräumen, sondern an öffentlichen Orten, "wo sich die Leute wohl fühlen". In seinen Auswirkungen Aufsehen erregte etwa eine Begegnung zwischen Schönborn und dem Life-Ball-Organisator Gery Keszler bei ihm zu Hause, die zu einem Gedenkgottesdienst für Aids-Opfer im Stephansdom führte - und bis heute zu Hassbotschaften von Empörten über diese angeblich "unpassende Koalition", wie Neubauer berichtete.
Auch er selbst sei nicht frei von Vorurteilen, gestand der Theologe und Buchautor dem Auditorium, und oft habe er Skrupel, Menschen einfach anzurufen und um einen Dialog im Rahmen der Akademie zu ersuchen. Hilfreich sei ihm der nonchalante Rat des spät gläubig gewordenen linken Publizisten Günther Nenning gewesen: "Sch... dich nix!"
Als programmatisch für "ziemlich beste Begegnungen" nannte Neubauer einen Satz aus der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: "Alle müssen ihren Nächsten ohne Ausnahme als anderes Ich ansehen."
Workshops laden zu "entgrenztem Denken"
"Entgrenzt denken" und der Gebrauch einer "Social Media"-affinen Sprache ist notwendig, um kirchlicherseits via Internet mit sonst schwer erreichbaren Bevölkerungsgruppen in Kontakt zu kommen. Darauf wies Sebastian Riedel, seit zwei Jahren als Referent für Missionarische Pastoral in der Erzdiözese Salzburg, in einem der 14 Workshops der Pastoraltagung zum Thema "Glaubenskommunikation im Netz" hin. Digitale Glaubensverkündigung habe im Zuge der Corona-Pandemie einen enormen Aufschwung erlebt - und das werde sich fortsetzen, so der Experte. Zielgruppe seien nicht nur Junge, auch für ältere Semester zähle das Internet mittlerweile zur Alltagsroutine.
Riedel nannte einige Beispiele für erfolgreiche Versuche, Menschen auf diesem Weg mit Religiösem in Kontakt zu bringen: Eine "Kirche für die Hosentasche", die sich seit dem Advent 2021 ausschließlich im digitalen Raum trifft, ist https://betakirche.de; "Wegfinder" nennt sich ein Podcast, der dazu einlädt, "Jesus (zu) folgen in einer komplexen Welt"; als eine Art katholische "Influencerin" auf Tiktok fungiert die deutsche Theologin Lisa Quarch. Und in Salzburg war Riedel bereits 2021 an einer kreativen Präsentation der "Langen Nacht der Kirchen" auf YouTube beteiligt (https://www.youtube.com/watch?v=dPBvNg6-7kc).
In einem weiteren Workshop lud die Wiener Theologin Stephanie Bayer zu einem Perspektivenwechsel auf "Trans*-Personen" ein. Denn Menschen, die sich gewohnten geschlechtlichen Zuordnungen entziehen, seien mehr als nur eine Modeerscheinung, sondern vielfach - oft unerkannt - inmitten der Kirche präsent. Viele der von Bayer im Zuge ihrer Dissertation Befragten hätten Ausgrenzung erlebt, Einengung durch Identitätsschablonen und Vorurteile. Die Theologin plädierte für eine einladende Seelsorge, die Non-Binäre ernst nimmt. Und neben der Seelsorge werde sich auch die christliche Anthropologie als lernbereit erweisen müssen.
"Präsent sein. Wege zu qualitätsvoller Pastoral" lautete das Thema der Samstagmittag zu Ende gegangenen Österreichischen Pastoraltagung mit rund 250 teilnehmenden Fachleuten aus Seelsorge, Religionspädagogik und kirchlichen Diensten aus dem In- und Ausland. Ein Tagungsband wird die Vorträge zusammenfassen. Als Arbeitsthema der nächsten Tagung im Jänner 2024 kündigte die dann organisatorisch verantwortliche, ab März ihren Vorgänger Walter Krieger ablösende Generalsekretärin des Österreichischen Pastoralinstitutes, Gabriele Eder-Cakl, den Bereich "Wirtschaft und Kirche" an.
Quelle: Kathpress