Pastoraltagung: Seelsorge im Sinne Jesu führt Kirche hinaus
Ein "jesuanischer Pastoralstil" konkretisiert sich in "Not-wendenden Begegnungen", in denen Seelsorgerinnen und Seelsorger eine Kirche im Sinne von Papst Franziskus erlebbar machen - nämlich eine, die nicht um sich selber kreist, sondern die sich den Armen und Bedrängten zuwendet und sich um ein "gutes Leben" aller bemüht. Darauf wies die Linzer Pastoraltheologin Klara Antonia Csiszar am Freitag in Salzburg im Rahmen der Österreichischen Pastoraltagung hin. Der Papst aus Argentinien erinnere immer wieder daran, dass das, was wir füreinander tun, auch eine transzendente Dimension innehat, und dass es der "von Natur aus missionarischen Kirche" nicht um die eigene Befindlichkeit gehen dürfe, sondern um die "verwundete Welt" und deren Erlösung, so Csiszar.
Nicht zufällig sei die traditionelle Darstellung "Maria Knotenlöserin" ein Lieblingsbild von Franziskus, das für die Kirche insgesamt stehen soll. Heute gebe es im individuellen und sozialen Leben bis hin zur Weltebene viele "Knoten", an deren Lösung die Kirche und ihre Mitarbeitenden mitarbeiten. Dies geschehe in vielerlei Weise auch erfolgreich, so die aus Rumänien stammende Professorin an der Katholischen Privatuniversität. Beispiele dafür seien die Arbeit der Caritas für Straßenkinder, für weibliche Opfer von Gewalt oder auf die Einrichtungen der Ordensgemeinschaften im Bereich Bildung und Gesundheit. Csiszar riet ihren noch unter dem Eindruck jüngster Kirchenaustrittszahlen stehenden Zuhörenden, sich auch solche Erfolge und nicht nur Krisen und Hindernisse vor Augen zu halten.
Beklagt wurde in der Diskussion am Freitagvormittag auch der Umstand, dass auf Pfarrgemeindeebene vieles nur vom zuständigen Priester entschieden - und manchmal auch verhindert - werde. Csiszar meinte dazu lapidar, es sei besser, sich nicht in Frustration über Dinge und Menschen, "die man nicht ändern kann" zu ergehen, sondern die Kräfte dort einzusetzen, wo man selbst wirksam sein kann. Tröstlich mag vielleicht auch eine andere Referenzperson sein, auf die sich die Theologin in ihrem Vortrab mehrfach bezog: der Wiener KZ-Überlebende und Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, Viktor Frankl. Dieser hatte unterstrichen, dass Menschsein nie nur ein "So-sein-Müssen", sondern immer auch ein "Auch-anders-sein-Können" bedeutet.
Der an der Tagung teilnehmende Präsident der Katholischen Aktion Österreich, Ferdinand Kaineder, rief dazu auf, sich mit anderen Unzufriedenen zu vernetzen und gemeinsam "das zu tun, was ansteht". Die Katholische Aktion biete dafür viele Gemeinschaften.
"Erfahrungsdefizit" aufbrechen
Zweiter Referent der unter dem Titel "Präsent sein. Wege zu qualitätsvoller Pastoral" stehenden Bildungsveranstaltung mit rund 250 Teilnehmenden aus dem In- und Ausland war am Freitagvormittag der in Paris lehrende Jesuit Christoph Theobald. Er widmete sich unter dem Titel "Im Alltag auf Gottes Ruf hören" dem Begriff der Berufung. Statt der gebräuchlichen "Funktionalisierung der Pastoral" gelte es den Blick zu weiten für die auch vom Zweite Vatikanum betonte christliche Berufung aller Getauften, die wiederum im Dienst der gesamtmenschlichen Berufung zu stehen habe. Theobald zitierte dazu das Bekenntnis in der Konzilskonstitution "Gaudium et spes" dazu, "dass etwas wie ein göttlicher Same in ihm (dem Menschen, Anm.) eingesenkt ist" und auf die sich die Kirche zur Errichtung einer geschwisterlichen Gemeinschaft aller beziehen solle.
Theobald kritisierte das "chronische Erfahrungsdefizit", das allzu genau definierten Diensten in der Kirche zu eigen sei und plädierte dafür, "Schluss mit einer Priesterausbildung, wo nur Priester sind", zu machen. Und der Jesuit unterschied klar zwischen der trennenden Sakramentalität und der verbindenden Heiligkeit, die einem - wie Papst Franziskus gemeint hatte - "an der Nachbartür begegnen" könne.
Theobald schrieb vor einigen Jahren ein französisches Buch über Berufung, dessen Titel "Vous avez dit vocation?" (dt.: Haben Sie Berufung gesagt?) in der deutschen Übersetzung besser mit "Hören, wer ich sein kann" wiedergegeben worden sei, wie der Autor sagte. Diese Offenheit für den Anruf Gottes finde sich vielfach in der Bibel, etwa in der Berufung des Samuel und dessen Satz "Rede, Herr, dein Diener hört".
Vom Kognitiven zum Narrativen
Das Christentum "verblasst im kulturelle Gedächtnis vieler westeuropäischer Länder, und die dortige Gesellschaft nimmt Inhalte zunehmend weniger auf kognitiver als auf narrativer Ebene wahr: Ausgehend von diesen beiden Beobachtungen stellte der in Utrecht (Niederlande) lehrende deutsche Pastoraltheologe Jan Loffeld die Frage, wie unter diesen Gegebenheiten so etwas wie "hopeful presence" von seelsorglich Tätigen gelingen kann - wie sie also in ihrer Zuwendung und Ansprechbarkeit auf Religiöses verweisen können.
Dass dies in einer Ära schwierig ist, da ein Heranwachsender in der Kirche schon mal erstaunt fragen kann, wer denn der da am Holzbalken hängende nackte Mann ist, liege auf der Hand, so der Theologe. Loffeld riet, etwa von den in der Reklame vermittelten "Hoffnungsgeschichten" zu lernen. Er präsentierte einen Werbespot der deutschen Handelskette "Edeka", in der ein vermeintlich scheiterndes Weihnachtsfest durch das spontane Einbeziehen von Feuerwehrleuten nach deren Löscheinsatz doch noch zum Erfolg wird. Solche narrativen "Miterfahrungsangebote" sollte auch kirchliche Seelsorge zugänglich machen. Wer in einer Predigt erklärt, verliere seine Zuhörer; wird dagegen erzählt, finde man Aufmerksamkeit. Auch in seelsorglichen Begegnungen genügt es laut Loffeld nicht mehr, mit Kirche assoziierte "Ur-Narrationen" wirken lassen zu wollen; Kirchenvertreter müssten aktuelle, in zeitgemäßer Sprache formulierte "Hoffnungs- und Heilsgeschichten" erzählen und zugleich davon lernen, wie die Gegenwartskultur das tut. (Info: www.pastoral.at).
Quelle: kathpress