Militärbischof: Krieg für Soldaten oft ethische "Gratwanderung"
Die Abwägung von Vertrauen in politische und militärische Autoritäten und dem eigenen moralischen Gewissen ist für Soldaten im Kriegseinsatz oft eine "schwierige Gratwanderung". Darauf hat Österreichs Militärbischof Werner Freistetter in einem Vortrag zum Thema "Fragen einer Ethik des Soldaten" am Dienstag in Graz aufmerksam gemacht. Im Rahmen der Ringvorlesung "Ethik des Friedens" der Universität Graz ging Freistetter auf die Frage ein, wie ein gläubiger Soldat reagieren solle, wenn er einen Kriegseinsatz eindeutig ablehne. Dazu stellte der Ordinarius einige ethische und theologische Ansätze vor und bezog sich auch auf den aktuellen Krieg Russlands gegen die Ukraine.
"Jeder Soldat muss wissen und verstehen, wofür er ausgebildet und gegebenenfalls eingesetzt wird", zitierte Freistetter aus einer aktuellen Stellungnahme der Gemeinschaft Katholischer Soldaten (GKS). Dementsprechend solle er überzeugt sein, "dass sein Auftrag politisch notwendig, militärisch sinnvoll und moralisch begründet ist". Gleichzeitig gelte es nachdrücklich einzumahnen, dass "die politische, historische und kulturelle Bildung" in der Truppenpraxis so umgesetzt wird, wie in einschlägigen Weisungen gefordert.
Bundesregierung und Parlament seien demnach in der Pflicht, gegenüber den Soldaten und der Gesellschaft zweifelsfrei zu begründen, dass ein Kampfeinsatz ethisch gerechtfertigt, völkerrechtlich abgesichert und nach nationalem Recht zulässig ist. "Nur so können die Soldaten den von der politischen Führung erteilten Auftrag guten Gewissens erfüllen."
Für die Rechtmäßigkeit eines Kriegs, gebe es ethische "Minimalanforderungen", die erfüllt sein müssen, erläuterte Freistetter. So gelte das Grundprinzip, dass sich Soldaten an Kriegen, die als solche eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts mit sich bringen - etwa Krieg zur Vertreibung oder Ermordung von Angehörigen einer Minderheit -, nicht beteiligen dürfen. Auch wenn ein Soldat an einem "ungerechten" Krieg teilnimmt, müsse er die Bestimmungen des Humanitären Völkerrechts einhalten. "Tut er das nicht, ist sein Handeln auch durch Berufung auf Befehle bzw. einen Eid auf jeden Fall ethisch nicht verantwortbar", so Freistetter.
Jeder muss Rechenschaft ablegen
Zu sprechen kam Freistetter auch auf den Krieg in der Ukraine. Der Bischof zitierte dabei aus einem Brief des Präsidenten der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, an den Moskauer Patriarchen Kyrill I., der die Bitte an den russisch-orthodoxen Kirchenführer enthielt, die Soldaten zur Befehlsverweigerung aufzufordern. Gadecki nennt die Befehlsverweigerung in der aktuellen Situation eine "moralische Verpflichtung".
Die Zeit, in der "diese Verbrechen" vor internationalen Gerichten geklärt werden, werde kommen, zeigte sich der Erzbischof überzeugt. Aber selbst wenn sich einige der Rechtsprechung auf Erden entziehen könnten, gebe es ein Gericht, dem sich ein jeder stellen müsse, so Gadecki mit Verweis auf die Rechenschaft, die der Mensch vor Gott ablegen müsse.
Grundsätzlich gelte es, die persönliche Gewissensfrage eines jeden nicht zu vernachlässigen. Dabei entspreche die Betonung des individuellen Gewissens der ethischen Verantwortung und christlichen Freiheit, hielt Freistetter fest. Soldaten müssten sich aber, "im Gegensatz zum individualistischen Selbstverständnis unserer Zeit", auf die Autorität von Staat und Politik verlassen können.
Die Kirche verurteile bestimmte militärische Aktionen scharf. Die Kritik richte sich in der Regel an die politischen Entscheidungsträger und weniger an die beteiligten Soldaten. Vielmehr sei es auch Aufgabe der Militärseelsorger, die Soldaten in ethischen Grundsätzen zu schulen und die persönliche Gewissensbildung in den Mittelpunkt von Gesprächen und seelsorglichen Aufgaben zu stellen, so der Militärbischof.
Quelle: kathpress