Propst Werlen zu Orden und Synodalität: Nicht alles vorbildlich
Ordensgemeinschaften werden im Zuge des Synodalen Prozesses in der katholischen Kirche immer wieder als vorbildlich in Bezug auf Gemeinschaft und Partizipation dargestellt; dabei gibt es laut Propst Martin Werlen aber einiges, "was Menschen nicht (!) von den Klöstern lernen sollten". Der als Buchautor bekannte Benediktiner und Leiter der Propstei St. Gerold (Vorarlberg) blickt in einem aktuellen Beitrag für das theologische Portal "feinschwarz" durchaus selbstkritisch auf Orden und deren "Baustellen und Problemfelder". Nur wenn sie sich dieser in ehrlicher Selbstreflexion und kontinuierlichem Bearbeiten annehmen, können sie "glaubwürdig prophetisch knistern", wie der frühere Abt von Einsiedeln pointiert feststellt.
Wenn heute von einer Erneuerung der Kirche die Rede ist, seien Ordensvertreter als Fachleute sehr gefragt. Doch, so Werlen: "Ist die Klöster-Euphorie im synodalen Prozess angebracht?" Sein kritischer Blick auf die Ordenslandschaft ergab in vielen Fällen ein zu starkes Verhaftet-Sein in überkommenen Traditionen, ein Auseinanderklaffen von Ordensregel und deren gelebter Umsetzung, ein "höfisches Getue" statt evangelisches Zeugnis, ja sogar Machtmissbrauch und aus Sorge um Nachwuchs manipulatives Verhalten gegenüber jungen Menschen. Lapidare Feststellung des Benediktiners: "Die meisten Klöster wurden und werden kaum als prophetische Zeichen wahrgenommen."
Vorgaben des Konzils ernst nehmen
Werlen erinnerte an die Vorgaben, mit denen bereits das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) versucht habe, "auch die Ordensleute aus den liebgewonnenen Gewohnheiten zu wecken". Es gehe darum, "tief verwurzelt in Gott das Charisma der Gemeinschaft zu leben, den Menschen nahe zu sein und die Erneuerungsbestrebungen der Kirche auf allen Gebieten mitzutragen und zu fördern. Auf dem Hintergrund dieser Folie werden laut Werlen klösterliche Haltungen erkennbar, die für die Kirche nicht vorbildlich sind.
Viele Gemeinschaften seien bis heute vor allem dadurch bekannt und geschätzt, weil sie Traditionen hüten. Jedoch werde dabei oft statt der Tradition der "Zeitgeist früherer Jahrhunderte" bewahrt. Ein Blick in manche Ordenshäuser zeige das "offensichtliche Stehenbleiben", wie der Propst monierte: "Da stehen Kunstwerke vergangener Jahrhunderte, aber oft kein einziges zeitgenössisches." Und während man "am höfischen Getue in Rom" zurecht Anstoß nehme, "finden wir dasselbe in Klöstern selbstverständlich und schön".
Werlen kritisierte, dass viele Ordensleute "in fürstlichen Palästen" leben, was kaum zur Botschaft Jesu passe. Er bezeichnete demgegenüber den Auszug von Papst Franziskus aus dem Apostolischen Palast ins Gästehaus Santa Marta als "starkes Zeichen", das als Vorbild dienen könnte. Abschied sollte auch von "fürstlichen Kleidern aus fürstlichen Zeiten" in der Liturgie genommen werden. "Ich muss gestehen: In meiner Amtszeit als Abt von Einsiedeln habe ich solche Fürstengewänder auch noch getragen", bekannte Werlen. "Ich würde es nicht mehr tun." Um das Unzeitgemäße daran zu unterstreichen, lud der 60-jährige gebürtige Schweizer zur Vorstellung ein, der französische Präsident würde heute mit einer Uniform von Napoleon auftreten. Wenn Vergleichbares in der Liturgie in vielen Klöstern geschehe, "heben wir uns von den Menschen ab, statt mit ihnen auf dem Weg zu sein".
Werlens Mahnung gilt auch vielen "fürstlichen" Kirchenräumen: "Sollten wir nicht alles dransetzen, dass die Verkündigung die Priorität hat, nicht der Denkmalschutz?"
Mit Macht behutsam umgehen
Sein Plädoyer für einen behutsameren Umgang mit Macht und gegen Klerikalismus verband Werlen mit der Beobachtung, dass die Priesterweihe in vielen Ordensgemeinschaften als wichtiger betrachtet werde als die Profess, das Ablegen der Ordensgelübde. "Männer bestimmen über die Frauen in Ordensgemeinschaften", ärgerte sich Werlen. "Warum haben Ordensmänner nicht schon lange realisiert, wie daneben das ist?"
Der Propst von St. Gerold sprach sich weiters für "Sorge um Nachwuchs statt Sorge für Nachwuchs" aus. Die Lebendigkeit einer Ordensgemeinschaft hänge - trotz oft fehlender Eintritte - nicht von der Zahl ihrer Mitglieder und auch nicht vom Durchschnittsalter ab. Werlen erinnerte an die Weisung des heiligen Benedikt von Nursia: "Gegenüber jenen, die neu ins Kloster eintreten wollen, ist eine gesunde Vorsicht am Platz. Die Aufnahme soll nicht übereilt geschehen." Stießen neue Mitglieder in die Gemeinschaft, fehle aber oft die "Prüfung und Betreuung, die zu einer gesunden Reifung der Berufung beitragen könnte", so Werlen.
Auch für den Umgang miteinander in Klöstern verwies der Benediktiner auf seine Ordensregel, dass Ordensleute "selbstlos und geschwisterlich füreinander da sein" sollen. Dennoch komme es zu Machtmissbrauch: "Ein solcher zeigte sich auch in spirituellen und sexuellen Übergriffen durch Ordensmitglieder (Männer und Frauen) - nicht weniger als beim 'weltlichen' Klerus."
Franziskus wünscht offenen Dialog
Werlen beendete seine Ausführungen mit einem "Ruf nach ehrlicher Selbstreflexion" und Demut - auf Latein "humilitas", was soviel bedeute wie: "nicht abheben und sich nicht besser als die anderen fühlen, sondern auf dem Boden der Wirklichkeit bleiben". Und die Zeit für selbstkritisches Nachdenken über gute Wege in die Zukunft seien im Pontifikat von Franziskus günstig wie schon lange nicht: Baustellen dürften - "sogar auf Aufforderung des Papstes" - benannt, Vorschläge eingebracht werden. "Heute ist möglich, was noch vor zehn Jahren unvorstellbar war. Professorinnen und Professoren hätten ihren Lehrstuhl verloren; Bischöfe wären in die Wüste geschickt worden."
Quelle: kathpress