Ordensfrau Mayrhofer: "Habe den Menschen Ratzinger erlebt"
"Ich habe gehört und gestaunt": So erinnert sich die ehemalige Präsidentin der österreichischen Frauenorden, Sr. Beatrix Mayrhofer (74), an die Vorlesungen Joseph Ratzingers an der Theologischen Fakultät an der Universität Regensburg. Dort lehrte der spätere Papst Benedikt XVI. ab 1969 Dogmatik und Dogmengeschichte. "Die Studenten stürmten seine Vorlesungen, aber nicht um zu stören, wie zuvor in Tübingen, sondern um zu hören", schildert die bekannte Ordensfrau und langjährige Direktorin des Wiener Schulzentrums Friesgasse in einem Gastbeitrag zum Tod von Benedikt XVI. in mehreren österreichischen Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgaben, Mittwoch).
Mayrhofer studierte Anfang der 1970er Jahre zwei Semester lang in Regensburg, und zwar im Anschluss an das Noviziat in ihrer Ordensgemeinschaft, den Armem Schulschwestern von Unserer Lieben Frau. Bei den Vorlesungen Ratzingers sei ihr "eine neue Welt aufgegangen", erinnert sich Mayrhofer: "Das ist theologisches Denken in einer neuen Weite, eine Verkündigung der biblischen Botschaft im Dialog mit griechischer Philosophie, mit der Lehre der Kirchenväter und mit neuester Literatur". Ratzinger, "selbst ein Meister des Wortes", habe in einer "ständigen Suchbewegung um das Wort, um das Wahr-Sagen des Unsagbaren" gekreist. Unermüdlich habe nach der Vermittlung zwischen Glaube und Vernunft getrachtet, und zu erklären versucht, dass diese sich nicht widersprächen, so Sr. Mayrhofer.
Nach den Seminaren habe sie den scharfsinnigen Professor schließlich auch in gemütlicher Runde erlebt, erinnert sich Mayrhofer auch an einen Mann, "der Witze erzählen und dem man mit kleinen Süßigkeiten Freude bereiten konnte". Deutlich im Gedächtnis bleibe ihr Ratzingers Feststellung, wonach er als Professor kein Recht hätte, den Glauben der Kirche zu erschließen, wenn er nicht auch in der Lage, wäre, den Mitfeiernden seiner kleinen Gemeinde am Sonntag das Evangelium auszulegen. Von daher sei sie dankbar sagen zu dürfen: "Ich habe den Menschen Ratzinger erlebt."
Im Hinblick auf das Erlebte habe sie Ratzingers Berufung in die Leitungsämter der Kirche manchmal bedauert, so Mayrhofer weiter. "Seine große Liebe zum Wort konnte er nur zögerlich umsetzen in ein unverkrampftes Zugehen auf die Menschen, seine persönliche Lauterkeit ließ ihn nicht erkennen, wie ihm persönliche Fehlentscheidungen schadeten - ihm selbst und der ganzen Kirche", konstatierte die Ordensfrau. Es sei "verständlich und doch bedauerlich", dass sein Rücktritt vom Papstamt als seine "vielleicht größte und bleibende Leistung" im Papstamt gesehen werde.
Quelle: kathpress