Schönborn: Papst-Rücktritte dürfen nicht zur Tradition werden
Kardinal Christoph Schönborn hofft nicht, dass das Beispiel des Rücktritts, wie ihn der verstorbene Ex-Papst Benedikt XVI. vollzog, künftig Schule macht. "Es darf nicht eine Tradition werden. Ich glaube, es ist richtig, dass Päpste möglichst bis zum Lebensende im Amt bleiben. So war es jahrhundertelang", sagte der Wiener Erzbischof in einer ORF-III-Sondersendung zum Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. am Montagabend. Auf der anderen Seite sei der Rücktritt aber auch ein wichtiges Zeichen gewesen, so Schönborn, nämlich, "dass der Papst auch nur der Papst ist und nicht der liebe Gott".
Schönborn hoffe jedenfalls nicht, dass auch Papst Franziskus einmal zurücktritt. Der Wiener Theologe Paul Zulehner hielt im Interview mit der Zeit im Bild 2 am Montagabend einen Rücktritt von Franziskus für unwahrscheinlich. Gerüchte, der amtierende Papst könnte sich an Benedikt ein Beispiel nehmen, verwies Zulehner in das Reich der "vatikanischen Kaffeesudleserei". Auch wenn Franziskus einen Rücktritt nie ausgeschlossen habe, werde er das mit Sicherheit nicht vor der Beendigung der Weltsynode tun, "die er ja ausgerufen hat und wo er sich einen sehr starken Reformschwung für die gesamte Kirche erhofft", so der Theologe.
Schönborn würdigte den verstorbenen Ex-Papst, zu dem er eine lange Freundschaft pflegte, einmal mehr als großen Denker und Theologen. Benedikt sei "besonders freundlich, humorvoll, nachdenklich - und wenn man ihn dann erlebt, unglaublich g'scheit" gewesen. Verwundert habe ihn, dass der hoch angesehene Professor als Papst zu einer sehr klaren und prägnanten Sprache gefunden habe. "Seine Predigten, seine Ansprachen, sein Wort zu den Menschen waren verständlich", so Schönborn.
In Hinblick auf die Vorwürfe, die Benedikt kurz vor dem Lebensende noch einmal einholten - so belastet ihn ein Gutachten, in seiner Zeit als Münchner Erzbischof einen verurteilten, mehrfach wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Pfarrer weiter in der Seelsorge eingesetzt zu haben - sagte der Kardinal, man müsse den ganzen Fall aufrollen und auch die damalige Zeit berücksichtigen. "Er hat sich, glaube ich, klar darüber erklärt, dass er damals einen Fehler begangen hat. Er hat das offen und ehrlich gesagt. Und das steht einem Papst auch gut an", so Schönborn. Auch ein Papst sei "nicht unfehlbar in allen Dingen, er ist ein Mensch. Und sicher hat er auch Fehler gemacht".
Benedikts Stärke nicht das Politische
Auch Zulehner hob die theologische Kompetenz Benedikts hervor, hingegen sei "das Politische nicht seine Stärke" gewesen. Auch die Personalpolitik des deutschen Papstes sei "nicht gerade glücklich" gewesen, die Probleme mit der Vatikanbank habe er nicht lösen können. Es habe immer den Eindruck gemacht, Benedikt habe versucht, seine Theologie mit "päpstlichen Gewichten" durchzusetzen, was der Kirche nicht unbedingt guttue. So gesehen könne man zum Schluss gelangen, es "wäre gescheit gewesen, er wäre Theologe geblieben, weil das war wirklich seine primäre Stärke", meinte Zulehner.
Auch der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück zeichnete in der ORF-III-Sondersendung ein differenziertes Bild des ehemaligen Papstes. So habe dieser das Amt ganz anders ausgefüllt als sein Vorgänger. "Er hat weniger spektakuläre Gesten gesetzt als vielmehr versucht, durch seine Enzykliken die Grundbegriffe des Christentums in einer ansprechenden Diktion zu erläutern." Benedikt habe aber auch viele der kirchenpolitischen Erwartungen, die an ihn herangetragen wurden, nicht erfüllt, konstatierte Tück.
Die Vertuschungsvorwürfe zum Kriterium der Beurteilung des Pontifikats zu machen, greift laut dem Theologen zu kurz. Was von Benedikt bleibe, sei seine ansprechende Art und Weise, Grundgedanken des Christentums in Erinnerung zu rufen. Im Blick auf die Situation in Europa, habe er immer wieder gefragt: "Was geschieht, wenn Gott fehlt? Brechen dann nicht gewissermaßen auch Grundlagen des Gemeinwesens weg, die uns in eine Schieflage bringen könnten?". Das seien die Impulse, die bleibend für Nachdenken sorgen werden, schloss Tück.
Quelle: kathpress