Kardinal: "Mit Zuversicht, Dankbarkeit und Gottvertrauen ins neue Jahr"
Kardinal Christoph Schönborn hat dazu aufgerufen, trotz aller Negativschlagzeilen und Sorgen, die das vergangene Jahr mit sich gebracht hat, "mit Zuversicht, Dankbarkeit und Gottvertrauen ins neue Jahr" zu gehen. "Lassen wir uns unser Land, unsere Zeit nicht schlechtreden", appellierte der Wiener Erzbischof in seiner alljährlichen Silvesteransprache im ORF-Fernsehen. Auch wenn der Krieg in der Ukraine und seine Folgen in Form von Teuerung und Inflation jeden Einzelnen betreffen, auch wenn die Flüchtlings- und Klimakrise viele Menschen "ohnmächtig und voller Sorgen" in die Zukunft blicken lassen, so dürfe dies nicht den Blick auf das viele Gute verstellen, das geschehe und Grund zur Zuversicht gebe.
Die Ansprache im Wortlaut |
"'Das Leben lässt sich nicht planen', pflegte meine Mutter zu sagen, die heuer im hohen Alter von 102 Jahren verstorben ist. Wer hätte gedacht am Anfang des Jahres 2020, dass ein kleines Virus aus China die ganze Welt durcheinanderbringen wird? Die Pandemie hat alle betroffen: die Jugendlichen, die Kinder, die alten Menschen. Es hat viele Tote gegeben; es hat viele Spaltungen in der Gesellschaft gegeben - für oder gegen die Impfung. Wer hätte am Anfang dieses Jahres gedacht, dass auf europäischem Boden ein schrecklicher Krieg ausbricht? Der Versuch der Eroberung der Ukraine durch die russischen Armeen. Grauenhafte Opfer fordert dieser Kriege. Zigtausende Tote, Millionen von Flüchtlingen und die systematische Zerstörung von zivilgesellschaftlichen Einrichtungen - Schulen, Spitälern - und jetzt im Winter die systematische Zerstörung von Energieversorgung. Millionen leben ohne Strom, ohne Heizung in dieser schweren Zeit. Und wir wissen nicht und niemand weiß, wann dieser Krieg endlich ein Ende haben wird. -'Das Leben lässt sich nicht planen'. Wir erleben die Klimakrise als eine dramatische Wirklichkeit. Und wir fühlen uns ohnmächtig. Und wir erleben wieder und wieder große Flüchtlingswellen. Wir fühlen uns ohnmächtig und viele sehen in Sorge in die Zukunft: Wie soll es weitergehen? -'Das Leben lässt sich nicht planen'. Das Unvorhergesehene trifft uns alle: die Folgen des Krieges, die Teuerung, die Inflation, die explodierenden Energiekosten. Wie soll es weitergehen? Mich tröstet ein Wort des großen Dichters Friedrich Hölderlin, der gesagt hat: 'Wo Gefahr ist, da wächst das Rettende auch'. Es gibt mir Zuversicht, dass es in unserem Land trotz allen Schwierigkeiten so viel ehrenamtliche Hilfsbereitschaft gibt, so viel Zusammenhalt, so viel Füreinander-Einstehen und Füreinander-Dasein. Lassen wir uns unser Land, lassen wir unsere Zeit uns nicht schlechtreden! Was mir Zuversicht gibt, ist die Erinnerung an meine Großeltern-Generation. Sie haben zwei Weltkriege erlebt, sie haben Ihre Heimat verloren, sie haben alles verloren, ihren Besitz. - Aber sie haben nicht aufgegeben. Sie haben den Wiederaufbau geschafft, und wir profitieren heute noch von dem Wohlstand, den sie geschaffen haben. Warum soll es der heutigen Generation nicht gelingen, mit diesen Herausforderungen, in denen wir jetzt stehen, zurecht zu kommen und in eine gute Zukunft zu gehen? Ich lade dazu ein, dass wir auf das Gute schauen, das geschieht, und dass wir dankbar sind. Ich könnte so viele Beispiele nennen - ich nenne nur eines: die 30.000 Frauen und Männer aus unseren Nachbarländern, die bei uns die 24-Stunden-Dienste für alte und kranke Menschen ermöglichen. Es gibt so viel Gutes! Lassen wir uns nicht entmutigen. Gehen wir mit Zuversicht und Dankbarkeit in das neue Jahr, in die kommenden Jahre. Mit Dankbarkeit und einem guten, soliden Gottvertrauen ist es möglich. Das Leben lässt sich nicht planen, aber die Zukunft können wir gestalten durch unsere Dankbarkeit, unsere Bereitschaft zum Miteinander und durch unser Gottvertrauen. Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes, gutes neues Jahr 2023." |
Die ereignisreichen, von zahlreichen Krisen wie der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg gezeichneten vergangenen zwei Jahre hätten ihn an das Zitat seiner Mutter, "Leben lässt sich nicht planen", erinnert, so der Wiener Erzbischof. Erst habe die Pandemie "die ganze Welt durcheinandergebracht", viele Tote gefordert und gesellschaftliche Spaltungen im Zuge der Impfdebatte befördert; dann sei ein "schrecklicher Krieg" auf europäischem Boden ausgebrochen, der "grauenhafte Opfer" fordere, Millionen Menschen zu Flüchtlingen mache und nun mit der "systematischen Zerstörung von Infrastruktur" die Menschen vor unüberwindbare Herausforderungen stelle. Auch die Klimakrise stelle sich immer mehr als eine "dramatische Wirklichkeit" heraus, der gegenüber sich die Menschen ohnmächtig fühlten.
Ihn persönlich tröste u.a. das bekannte Wort des deutschen Dichters Friedrich Hölderlin (1770-1843): "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch". Als tröstlich erfahre er etwa das große ehrenamtliche Engagement in Österreich, in dem sich Zusammenhalt und Solidarität zeige. Auch denke er in dem Zusammenhang an die rund 30.000 Frauen und Männer aus den Nachbarländern, die die 24-Stunden-Hilfe für Alte und Kranke aufrecht erhielten. Zuversicht schenke ihm außerdem die Erinnerung an das, was die eigene Großeltern-Generation geschaffen habe, die zwei Weltkriege überstand, alles verlor und schließlich einen Wiederaufbau geschafft habe, "von dem wir heute noch profitieren". Nachsatz: "Warum soll es heutigen Generationen nicht auch gelingen, mit den Herausforderungen zurechtzukommen und in eine gute Zukunft zu gehen?"
"Das Leben lässt sich nicht planen, aber wir können die Zukunft gestalten - durch unsere Dankbarkeit, die Bereitschaft zum Miteinander und Gottvertrauen", so Kardinal Schönborn abschließend.
Quelle: kathpress