Kapellari: Benedikt wirkte "komplementär zu Franziskus"
Der frühere Grazer und Klagenfurter Diözesanbischof Egon Kapellari hat den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. (Joseph Ratzinger) als "unbestreitbar großen Theologen und geistigen Meister aus Deutschland" gewürdigt. In Ratzingers Biografie stünden die Begriffe "Größe" und "Grenze" in Spannung, erklärte der Bischof, der auch auf Kritik an Ratzinger einging. Im deutschen Sprachraum dominiere in der Auseinandersetzung um den Reformprozess "Synodaler Weg" zwar Enttäuschung über Ratzingers Leben und Wirken, doch gebe es auch "niveauvolle Kritik an solcher Kritik - und manche Enttäuschung wird später als Befreiung von Täuschung erfahren werden", betonte Kapellari in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress und der "Kleinen Zeitung".
Als Theologe, Kardinal und später Papst habe Benedikt gegen einen von manchen Beobachtern festgestellten "Abschied der Welt vom Christentum" gewirkt - und zwar in komplementärer, sich ergänzender Form zu seinem Nachfolger, Papst Franziskus, befand Kapellari. Franziskus stelle sich mutig den heutigen krisenhaften Spannungen der Menschheit, "auch gegenüber dem bedrohlichen Islam", wobei er manchmal erfolgreich sei, manchmal nicht. Mit seinen "prophetischen" Gesten, wie etwa dem Gebet zu Beginn der Corona-Zeit auf dem leeren Petersplatz, entspreche Franziskus einem "zentralen Anliegen Benedikts".
Einmal habe er den Papa emeritus "entmutigt" erlebt, schrieb Kapellari - nämlich im August 2016, als er und Mitglieder des Ratzinger-Schülerkreises Benedikt XVI. in den Vatikanischen Gärten trafen. Anlass dazu gegeben hätten die Berichte über Krisen im kirchlichen Leben Deutschlands. Er, Kapellari, habe damals gegenüber Ratzinger - ohne etwas schönreden zu wollen - auf ein Wort des Propheten Jesaja verwiesen: "Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es noch nicht?" Es könne als ein "Leitwort auf dem Weg in die Zukunft der Kirche, die schon begonnen hat", verstanden werden, so Kapellari.
Schon davor war Kapellari laut seinen Angaben Benedikt XVI. immer wieder begegnet - in Rom sowie auch in Mariazell am 8. September 2007, als er Grazer Diözesanbischof und somit Gastgeber beim Papstbesuch war. Zum damaligen Festgottesdienst seien 40.000 Menschen bei katastrophalem Wetter gepilgert, erinnerte der emeritierte Bischof. Über Kapellaris Bemerkung "Wir feiern trotzdem nicht Mariä Schnee, sondern Mariä Geburt" habe Benedikt XVI. damals geschmunzelt, sei er doch "begabt zu freilich sanftem Humor" gewesen.
Quelle: kathpress