Weltsynode: Grazer Bischof warnt vor überzogenen Reformerwartungen
Vor überzogenen Reformerwartungen an die vor einem Jahr gestartete Weltsynode der Katholischen Kirche warnt der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl. "Wie leben wir Kirche? Wie lernen wir, die unterschiedlichen Sichtweisen ernst zu nehmen, aufeinander zuzugehen und gemeinsam als Volk Gottes voranzuschreiten?": Das sei das eigentliche Thema des vom Papst aufgerufenen weltweiten Prozesses zur Synodalität in der Kirche, betonte Krautwaschl im Interview der Tageszeitung "Die Presse" (Samstag, 24. Dezember). Reformen seien "erst der nächste Schritt".
Erwartungen, wonach etwa alle Themen, die in der Kirche im deutschsprachigen Raum auf der Tagesordnung stehen, am Ende der Weltsynode geklärt sind, hält der Grazer Bischof für den vom Papst zuletzt bis 2024 verlängerten Prozess für zu hoch. "Die große Gefahr besteht darin, zu glauben, dass es Abstimmungen geben wird: Das und jenes kommt, und das und jenes kommt nicht."
Im Rahmen der ersten, ortskirchlichen Phase der Weltsynode hatten auch in Österreich viele Gläubige etwa den Wunsch nach Geschlechtergerechtigkeit oder mehr Mitbestimmung von Laien geäußert. Die Themen aus dem zusammenfassenden Österreich-Bericht hätten die Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch vergangene Woche im Vatikan während der Gespräche mit dem Papst und den Spitzenvertretern der Kurie immer wieder geäußert, so Krautwaschl zur "Presse". "Da hat es keine Redeverbote gegeben."
"Wir haben gesagt, welche Themen bei uns wichtig sind. Die kann man nicht einfach wegspiritualisieren", fügte der Bischof hinzu. In Österreich würden mit Blick auf Reformen in der Kirche dieselben Themen diskutiert wie in Deutschland, "nur ohne dass dafür das Thema Missbrauch verantwortlich gemacht wird", wie Krautwaschl sagte. "Die Themen sind wichtig, weil die Gesellschaft eben so tickt, weil bei uns die gesellschaftlichen Entwicklungen so sind, wie sie sind."
Konkret war in Rom demnach auch die Frage des Diakonats für Frauen Thema sowie generell die "Frauen-Frage". "Man hat uns eingeladen, auch an andere Themen in diesem Zusammenhang zu denken und nicht nur an die Weihe", berichtete der Grazer Bischof.
Maßregelungen durch Vertreter des Vatikan habe es keine gegeben, dafür bei manchen Themen Auseinandersetzungen - "aber im positiven Sinn, dass man miteinander ringt oder sagt, das ist eine offene Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen". Ausdrücklich hob der steirische Bischof positiv hervor, dass es in der Kurie einen "ganz anderen Stil als früher" und ein "anderes Selbstverständnis" gebe. Krautwaschl: "Ich kann Dialog nicht nur in der Gesellschaft einmahnen, ich muss ihn auch im eigenen Haus leben."
"Bringen seit 2.000 Jahren Licht ins Dunkel"
Zum Weihnachtsfest betonte der Grazer Bischof, er habe dort "wo die Menschen tatsächlich mit uns leben" nicht den Eindruck, dass der Kern der ursprünglichen Botschaft von Weihnachten ausgehöhlt sei. Viele suchten nach Hilfe in den kleinen und großen Sorgen des Mensch-Seins. Die Christmetten in den Kirchen seien voll wegen der Sehnsucht nach einer Antwort auf die Frage "Gibt es einen, der mich rettet?", so Krautwaschl. "Wir bringen Licht ins Dunkel, seit 2.000 Jahren."
"Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir uns, weil nicht mehr 75 Prozent hinter uns stehen, gar nichts mehr vom Evangelium zu sagen trauen", hielt Krautwaschl weiter fest. Gleichzeitig plädierte er für eine differenzierte Sichtweise: "Vielleicht können wir damit auch positiv betrachtet umgehen, dass nicht alle mit dem innersten Kern von Weihnachten mitkönnen. In dem Sinn: Ich gehe mit euch mit, mag kommen, was will, ich begebe mich in eure Wirklichkeiten hinein, obwohl ich der Schöpfer der Welt bin. Er ist auch für den Mensch geworden, und er ist auch für die ans Kreuz gegangen, die da nicht unbedingt mitkönnen."
"Sich zu Gott bekennen braucht Mut"
Im Weihnachtsinterview der Steirerkrone (24. Dezember) ging Bischof Krautwaschl auf das Thema Mut im Leben ein. So sei Jesus ein mutiger Mann gewesen, "weil er ganz bewusst in Erinnerung gerufen hat, worum es wirklich geht: die Beziehung zu Gott zu leben". Angesichts der vielen aktuellen Meldungen über Leid und Elend brauche man auch Mut, um nicht zu verzweifeln. "Ich tu mir da leichter, weil ich um Gott weiß, aber das trifft nicht auf jeden zu", sagte Krautwaschl.
In aller Welt, etwa in der Ukraine, in Syrien, im Libanon, im Jemen, in Afghanistan oder im Iran gebe es viele mutige Menschen, setzte der Bischof fort. "Frauen und Männer, Christen und Muslime müssen Mut beweisen, um sich gegen Verfolgung, Vertreibung und Unrecht zu stemmen." Aktuellen Untersuchungen zufolge gebe es derzeit die stärkste Christenverfolgung seit Menschengedenken, so Krautwaschl. "Sich zu seinem Gott zu bekennen und zu seinem Glauben zu stehen, braucht Mut. Die Wirklichkeit Gottes ist heutzutage leider für viele ein Fremdwort geworden."
Quelle: kathpress