Glettler distanziert sich von "hartem Kurs" in der Asylpolitik
Seine Unzufriedenheit damit, wie die Politik derzeit mit dem Thema Asyl umgeht, hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler geäußert. "Das Gerede vom 'harten Kurs' finde ich enttäuschend", nahm er im Interview der "Tiroler Tageszeitung" (Mittwoch) Bezug auf die aktuelle Debatte. Es gebe ein Asylgesetz, das die Anspruchsberechtigung Schutzsuchender genau regle.
Glettler wandte sich auch gegen den Ausdruck "Wirtschaftsflüchtlinge"; es solle besser von "Armutsflüchtlingen" gesprochen werden. Der Bischof nannte es "gefährlich", wenn Migranten und Asylsuchenden "über eine manipulative Sprache der Stempel der Illegalität aufgedrückt" werde. Außerdem würden in fast allen Bereichen neue Arbeitskräfte gesucht. "Vermutlich könnte uns etwas mehr Entschlossenheit und soziale Kreativität weiterhelfen", sagte Glettler.
Die Diözese Innsbruck beteilige sich in Kooperation mit der Landespolitik engagiert an der Suche nach Flüchtlingsquartieren in Tirol, wies der Bischof hin. "Ich habe gedrängt, alles, was irgendwie möglich ist, für die Aufnahme von Flüchtlingen zu öffnen. Die aktuelle Liste kann sich sehen lassen." Viele Pfarren und Ordenshäuser hätten sozial Bedürftigen freie Plätze zur Verfügung gestellt.
"Niemanden draußen lassen" ist nach den Worten Glettlers die Botschaft von Weihnachten. Ob in der Diskussion über leistbaren Wohnraum oder in anderen Fragen - ein "weihnachtliches Bewusstsein" brauche es für alle politischen Entscheidungen. Die schwächsten Glieder der Gesellschaft müssten vorrangig im Blick sein, forderte der Bischof.
Über Weihnachten in Krisenzeiten sagte er, das Fest der Geburt Jesu "sollte weder falsche Idyllen beschwören, noch mit irrealen Erwartungen überfrachtet werden". Krisen ließen sich "nicht wegmeditieren", so Glettler. Angesichts der großen Katastrophen sei es umso dringlicher, die "alltäglichen Kleinkriege" zu beenden und den Hass zu unterbrechen - auch in den sozialen Medien. Der Bischof legte den Menschen eine möglichst gewaltfreie Sprache und etwas mehr Sanftmut ans Herz, um zu Weihnachten zu innerem Frieden und "einer guten Portion Zuversicht" zu kommen.
In der Seelsorge "noch kreativer sein"
Ein weiteres Thema des Interviews war der vorwöchige Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe. Die Gespräche im Vatikan seien "durchaus vertrauensvoll" verlaufen. "Keine Belehrung, viel eher Ermutigung", brachte es Glettler auf den Punkt. Viele aktuelle Herausforderungen der Kirche seien keine österreichischen Spezifika, sondern weltweit ähnlich.
Wie weit Papst Franziskus bei der Umsetzung von Reformen gehen wird, könne er - Glettler - schwer beantworten: "Mit Sicherheit will er noch wesentlich mehr Frauen in Führungspositionen bringen, wo immer dies in der aktuellen Kirchenverfassung möglich ist." Hier sei bei Weitem nicht alles ausgeschöpft, wies der Bischof hin. Und die Beteiligung von Laien an allen kirchlichen Entscheidungen nannte Glettler "eine Schlüsselfrage für die Zukunft". Der Papst habe den Bischöfen bei der freundschaftlichen Begegnung geraten, "in pastoralen Fragen mehr zu ermöglichen und noch kreativer zu sein".
In der Diözese Innsbruck halte er einen "Grundkurs Christentum" für die drängendste Aufgabe; dies stehe nicht zufällig an erster Stelle der pastoralen Leitlinien für die nächsten Jahre. Glettler: "Viele wissen nicht mehr, was das Wesentliche des christlichen Glaubens ausmacht, seine spirituelle Tiefe und Hoffnungspotenziale." Genauso wichtig sei die Kommunikation mit den jungen Erwachsenen, "die uns eigentlich kaum gelingt". Mehr Mut der Kirche sei gefragt, um die Lebenswelten und auch die Not der Jugendlichen wahrzunehmen.
Missbrauch und "systemisches Versagen"
Zur Aufarbeitung von Missbrauch in konfessionellen Heimen, die nach der Veröffentlichung einer vom Land Tirol und der Diözese Innsbruck hohe Wellen schlug, wiederholte Glettler seine Kritik an einem "systemischen Versagen". Freilich sei "nicht vom moralischen Hochsitz aus über die Jahrzehnte nach dem Krieg zu urteilen". Der Bischof verwies als Beispiel für völlig geänderte Verhältnisse auf eine geistliche Schwester in Martinsbühel, die ohne sonderpädagogische Ausbildung mit 40 teils schwer erziehbaren, von mentalen Beeinträchtigungen oder Gewalterfahrungen geprägten Mädchen Tag und Nacht allein gelassen wurde. Heute gebe es in ähnlichen Wohnheimen einen 1:1-Betreuungsschlüssel.
Zugleich gilt laut Glettler: "Jede beschämende Demütigung, die passiert ist, ist eine zu viel." Von Gewalt und Missbrauch Betroffenen wirklich Gehör zu schenken, habe in der Kirche gelernt werden müssen: Seit 2010 gebe es die "Unabhängige Opferschutzkommission" auf Österreich-Ebene, die auch Betroffenen aus Martinsbühel und Scharnitz hohe Unterstützungsbeträge zugesprochen habe. Auf Diözesanebene seien Ombudsstellen eingerichtet worden. Auch konsequente Präventionskonzepte seien mittlerweile selbstverständlich, so Glettler.
Quelle: kathpress